BdWi - Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

»Wissenschaft ist also ein prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen.«

Klaus Holzkamp

Newsletter abonnierenKontaktSuchenSitemapImpressumDatenschutz
BdWi
BdWi-Verlag
Forum Wissenschaft

Unter Trickstern und Kojoten

15.11.2007: Was „Geschlecht“ in Umweltforschung und -planung leistet

Wo Um- und Mitwelt der Menschen analysiert werden, geht es nicht zuletzt um „Natur“. Naturwissenschaftliches ist da nicht fern; und das hat eine lange Tradition im geschlechterblinden Hinsehen auf seine Gegenstände. Sabine Hofmeister legt den Finger auf entsprechende Defizite und lotst durch Voraussetzungen eines feministischen Theoriezugangs zu ökologisch orientierter Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung.

Carmen Hammer und Immanuel Stieß legten die Messlatte hoch: „Verkörpertes Wissen, partiale Perspektive, kritische Positionierung und Übersetzung zwischen heterogenen Positionierungen und Kontexten ergeben sich [...] als Leitlinien einer feministischen und kritischen Wissenschaftspraxis, die ausgehend von der Einsicht in die Asymmetrie von Standpunkten [...] sowohl die Verantwortung für die eigenen Darstellungen der Welt als auch für die eigenen Strategien der Verortung übernimmt ...“.1

Der in den 1970er von Sherry Ortner mit der Frage „Is Female to Male as Nature Is to Culture?“2 angestoßene, wissenschaftliche und politische Diskurs um die Verbindung von Geschlechter- und Naturverhältnissen mündete (im deutschsprachigen Raum) zwanzig Jahre später ein in das Konzept der „Neuerfindung der Natur“3. Donna Haraways Wissenschaftstheorie fokussiert auf ein nicht instrumentelles Naturverhältnis, das sie verbildlicht in den Figuren des Tricksters und des Kojoten: Sie „... vermitteln uns eine Vorstellung von unserer Situation, wenn wir die Herrschaft aufgeben, aber weiter nach Genauigkeit suchen, wohl wissend, dass wir reingelegt werden.“4 Mit der von ihr geprägten Kategorie des situierten Wissens verweist Haraway auf ein grundlegend anderes Verständnis davon, was Wissenschaft ist, was sie leistet und leisten soll. Ortner und Haraway markieren einen Bogen, der für die Entwicklung des feministischen Naturdiskurses steht und zeigt, dass und wie hierin Wissenschaftskritik und Gesellschaftskritik unauflöslich miteinander verwoben sind.

Kritik und Vision

Die feministische Umwelt- oder Ökologiedebatte basiert auf der Vision vieler Frauen von einem anderen Vermittlungsverhältnis der Gesellschaft mit Natur, in dem Geschlechtergerechtigkeit sowohl Voraussetzung als auch Resultat der Vermittlung ist. Kritik und Vision sind in diesem Diskurs nicht voneinander zu trennen: Die feministische Perspektive steht für eine standpunktbezogene Forschungsrichtung, meint Parteilichkeit im Blick auf die Geschlechterdimension und deren Vermittlung mit anderen Formen gesellschaftlicher Verhältnisse. In diesem Sinne ist feministische Wissenschaft normativ und politisch. Gerade dies ist es, was diesen Forschungstypus anschlussfähig an und unentbehrlich für eine ökologisch orientierte gesellschaftliche Planung macht – für eine Planung, deren Ziel es ist, eine nachhaltige Entwicklung zu befördern, die Entwicklung gesellschaftlicher Naturverhältnisse aufbauend auf und in der Verbindung mit sozialer Gerechtigkeit zu gestalten.

Mit meinem Beitrag beabsichtige ich zu zeigen, worin die Besonderheiten des feministischen Zugangs zur Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung liegen. Hierauf aufbauend frage ich, ob und wie dieser Forschungstypus eine erweiterte Perspektive auf gesellschaftliche Planung entstehen lässt – hier auf Umweltplanung, Ressourcenplanung und Management nachhaltiger Entwicklung. Abschließend werfe ich perspektivisch die Frage auf, ob und auf welche Weise der feministische Standpunkt Wissenschaft und Planung zu verändern vermag oder/und umgekehrt: durch Wissenschaft und Planung verändert wird.

Feministische Wissenschaftsforschung

Feministische Diskurse über die Zusammenhänge zwischen Natur, Umwelt und Geschlecht basieren auf einer naturwissenschaftskritischen Tradition der Frauen- und Geschlechterforschung, die vor allem aus dem angloamerikanischen Raum kommend seit den 1970er Jahren auch im deutschen Sprachraum gründlich rezipiert und weiterentwickelt worden ist5. In dieser Tradition verbinden sich die Dekonstruktion wissenschaftlicher Naturkonzepte und der darin eingeschriebenen Vorstellungen von Geschlecht mit dem normativen Anliegen, diese Konzeptualisierungen zu hinterfragen und zu unterlaufen.

Durch den Objektivitäts- und (Geschlechts-) Neutralitätsanspruch naturwissenschaftlicher Erkenntnisse hindurch werden gesellschaftliche Geschlechter- und Naturverhältnisse naturalisiert, enthistorisiert und unsichtbar gehalten. Neubestimmung von Objektivität bedeutet, in der Verknüpfung von Kritik der Naturbeherrschung mit subjektkritischen Ansätzen die Trennung von Natur und Kultur zu unterlaufen6. Damit wird auch das Trennungsverhältnis von Wissenschaft und Politik im feministischen Diskurs aufgehoben: Feministische Ansätze verbinden Wissenschaftstheorie und (historische) Wissenschaftsforschung mit Folgenforschung und angewandter Umweltforschung, ausgehend von der Frage nach den Konzeptualisierungen von Natur und der darin eingeschriebenen Geschlechtermetaphorik.

Die Naturwissenschaften in ihrer Funktion als Transformatorinnen von Ideologie in Abstraktion – und damit in eine sozial und historisch entkontextualisierte Objektivität – zu erkennen und zu kritisieren7 heißt, die Abwertung „reproduktiver“ Funktionen offenzulegen. Die Hierarchisierung produktiver und vermeintlich reproduktiver Leistungen – und damit die Abwertung der Frauen(arbeit) – wird legitimiert und stabilisiert durch Biologisierung und Naturalisierung gesellschaftlicher Geschlechterverhältnisse. Der Prozess des Verwebens von gesellschaftlichen Natur- und Geschlechterverhältnissen in den Naturwissenschaften und das Eingießen dieser Verwobenheiten in naturwissenschaftliche Konzepte und Theorien realisieren und erneuern das Trennungsverhältnis zwischen Produktivem und „Reproduktivem“. Indem sich (natur-)wissenschaftliche Erkenntnisse in einer spezifischen Form von Technik materialisieren, wird der ökonomische Zugriff sowohl auf Naturproduktivität als auch auf die sozial lebensweltliche Produktivität von Frauen als Ressourcen abgesichert.

Seit den 1970er Jahren war das Trennungsverhältnis zwischen Produktivem vs. „Reproduktivem“ für die feministische (Umwelt-)Debatte zentral. Indem die Orte der Verschiebung und Neuordnung der Verhältnisse zwischen Produktions- und Reproduktionssphäre historisch aufgesucht und die Rolle der (Natur-)Wissenschaften in diesen Prozessen kritisch aufgedeckt werden, lässt sich dieses Trennungsverhältnis als Widerspruchsverhältnis sichtbar machen und hinterfragen. Von hier aus gelingt es, gesellschaftliche Natur- und Geschlechterverhältnisse kritisch analytisch zusammen zu denken und theoretisch zu verbinden.8

Kultur-Natur-Verhältnis

Das Gegensatzverhältnis Kultur vs. Natur in der Verschränkung mit männlich vs. weiblich bildete in den abendländischen Kulturen durch Neuzeit und Moderne hindurch die Prämisse der Wissensgenerierung und Technikentwicklung, der Ökonomie und Politik. Im Blick auf die für diese historische Epoche spezifischen Regulierungsformen gesellschaftlicher Naturverhältnisse erwies sich dies als folgenreich: Die modernen Gesellschaften, die sich in einem Gegensatzverhältnis zur Natur wähnten, konstituierten im Trennungsverhältnis zwischen Produktivem (dem ökonomisch in Wert Gesetzten) vs. „Reproduktivem“ (dem ökonomisch Verwerteten, aber nicht Bewerteten) ihre Wirtschaftsform, indem sie alle Wesen, Prozesse und Leistungen, denen sie keinen ökonomischen Wert beimaßen, als „Natur“ aus ihrer eigenen Sphäre heraustrennten. Die Logik dieser in sich widersprüchlichen Struktur des Ökonomischen brachte es mit sich, dass Naturproduktivität – etwa die sozial lebensweltliche Produktivität von „Frauen“, die als Naturproduktivität gesetzt und als solche vereinnahmt wurde – durch die ökonomischen Praktiken hindurch umfassend internalisiert werden konnte. Zugleich jedoch externalisierte die ökonomische Bewertung wiederum alle vereinnahmte Produktivität ebenso wie das durch die ökonomische Praxis erzeugte Naturprodukt. Anders gesagt: Die ökonomische Rationalität, die sich durch die Entwicklung der Moderne hindurch ausgebildet hatte, täuschte systematisch über die praktisch realisierten physisch materiellen Naturverhältnisse hinweg. Trugen einerseits die ökonomischen Verwertungsprozesse kontinuierlich dazu bei, naturale und gesellschaftliche Elemente und Prozesse zu vermischen – durch jeden einzelnen Herstellungsprozess von Gütern und Leistungen NaturKulturHybride zu produzieren –, war dieselbe Gesellschaft andererseits (in der ökonomischen Bewertung) stets darauf bedacht, „Natürliches“ von „Sozialem/Kulturellem“ zu trennen. Die Illusion der Moderne von einem produktiven System jenseits und in der Differenz zu einem (vermeintlich) reproduktiven System, in das hinein die Produktivität der Natur und die der „Frauen“ abgespalten wurden, führte unvermeidlich in die sozial-ökologische Krise hinein – eine Krise sowohl der ökologischen wie auch der sozial weiblichen Produktivität.

Die zentrale These im (re-)produktionstheoretischen Ansatz feministisch ökologischer Ökonomik9 ist die Gleichursprünglichkeit von „ökologischer Krise“ und „Krise der Reproduktionsarbeit“ als Krise des „Reproduktiven“. Ausgehend davon wird deutlich, dass erst die Überwindung dieser in sich gespaltenen Ökonomie den Weg zu einer nachhaltigen Entwicklung frei macht. Es beginnt sich ein Bewusstsein auszubilden, dass nachhaltige Entwicklung nur im Modus (re-)produktiver Regulierung gesellschaftlicher Naturverhältnisse zu verwirklichen sein wird. Die Trennung zwischen einer ökonomisch in Wert gesetzten Sphäre und einer abgewerteten, ökonomisch unsichtbaren Sphäre, in der die Produktivität ökologischer und sozial weiblicher Leistungen wirksam ist, wird durch die Kategorie (Re)Produktivität, mit der alle Produktivitäten in ihrer Verschiedenheit verbunden sind, aufgebrochen. In einer nachhaltigen, (re-) produktiven Wirtschaftsform wird das, was bisher als unhinterfragte Voraussetzung des Ökonomischen erschien – die (Re-)Produktivität des (sozial) Weiblichen und des (sozial) Natürlichen – als die primäre Produktivität erkannt. Wird diese Produktivität in das Wirtschaftlichkeitskalkül einbezogen und wirtschaftlicher Erfolg daran gemessen, ob und wie weit wirtschaftliche Praktiken zur Erhaltung und Verbesserung der (re-)produktiven Funktionen beitragen, so eröffnet sich ein neues normatives Verständnis über die nachhaltige Regulierung gesellschaftlicher Naturverhältnisse: Erhalten und Gestalten von „Natur“ bilden eine Einheit.

Die These von der Gleichursprünglichkeit der Krise gesellschaftlicher Natur- und Geschlechterverhältnisse in der Produktions-Reproduktions-Differenz hat in der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung neue Diskurse angestoßen, die auch politisch als gesellschaftliche Planung wirksam zu werden versprechen.

Wird das Postulat (re-)produktiver Gestaltung – die Forderung, dass Gestalten mit Erhalten und Erneuern verbunden werden soll – als Prämisse von gesellschaftlicher Planung akzeptiert, so folgt daraus ein neues Verständnis von Umwelt- und Ressourcenplanung: Die gesellschaftlichen Beziehungen zu „Natur“, wie sie sich durch Produktions- und Konsumtionsprozesse hindurch konkret ausgestalten, rücken jetzt in den Blick. Sollen die gesellschaftlichen Naturverhältnisse nachhaltig reguliert und bewusst (re-)produktiv mit Blick auf gesellschaftlich erwünschte sozial lebensweltliche und ökologische Qualitäten hin gestaltet werden, so sind Produktion, Verteilung und Konsumtion von Gütern und Leistungen nach sozial-ökologischen Kriterien zu organisieren: Produktion verbindet sich mit (stofflicher) Reduktion, mit Erneuerung der ökologischen wie der sozial lebensweltlichen Produktivität als Bedingungen für ein gutes Leben gegenwärtiger und zukünftiger Menschengenerationen. Ein solches Verständnis von gesellschaftlicher Planung stellt die tradierte Rationalität, in der Gestalten und Erhalten von „Natur“ als ein Gegensatzverhältnis erscheint, grundsätzlich in Frage.

Schützen versus Nutzen

Feministische Umwelt- und Nachhaltigkeitsforscherinnen haben darauf aufmerksam gemacht, dass Schutzkonzepte – wie Umwelt- und Naturschutz – Teil des Problems sind, auf dessen Lösung sie gerichtet sind: So kritisieren sie die Trennung zwischen genutzter „Ressourcennatur“ und zu schützender „Idealnatur“, wie sie hierin eingeschrieben ist, als eine Trennung, die die Dichotomisierung und Hierarchisierung gesellschaftlicher Naturverhältnisse einschließlich der Geschlechterverhältnisse voraussetzt und reproduziert. In der Spaltung zwischen einer vergesellschafteten und ökonomisch bewerteten Produktionssphäre einerseits und einer aus Vergesellschaftung und Ökonomie ausgeschlossenen „Reproduktionssphäre“ andererseits sind Schutzkonzepte Teil eines in sich widersprüchlichen Politikverständnisses: Umwelt- und Naturschutz treten an, die gesellschaftlich unerwünschten Naturprodukte, die die in sich gebrochene Ökonomie systemisch erzeugt, ex post erneuern zu wollen. Vor diese paradoxe Aufgabe gestellt, scheitern Schutzstrategien zwangsläufig.

Gefragt sind daher nicht neue Schutzkonzepte, sondern neue Wirtschafts- und Lebensformen. In dieser Überzeugung verbinden sich feministische Perspektiven auf ökologische Problemlagen und ihre Bewältigung unmittelbar mit dem Nachhaltigkeitskonzept, mit dem soziale, ökologische und ökonomische Sichtweisen zu integrierten Problembeschreibungen und auf integrierte Problemlösungen hin verbunden werden (sollen): Geschlechtergerechtigkeit und ökologisch orientierte Produktions- und Konsummuster werden in dieser Perspektive als eine einzige Zieldimension begriffen, die zu einer übergreifenden, inter- und transdisziplinären Forschungs- und Planungsperspektive herausfordert. Feministische Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung generiert daher nicht universelle und abstrakte Problemlösungen, sondern situiertes Gestaltungswissen in Bezug auf besondere Problemlagen.

Gesellschaftliche Planung hat mithin die Aufgabe, die Produktions-Reproduktions-Differenz durch (re-)produktive Gestaltung aufzubrechen. Was bedeutet dies für Umwelt- und Ressourcenplanung und für das Management nachhaltiger Entwicklung? Nun, zunächst folgt hieraus, dass die in tradierte Planungsverständnisse fest eingeschriebenen Trennungsverhältnisse zwischen Kultur- und Sozial- vs. Naturräumen, zwischen Ressourcennatur vs. Schutznatur und zwischen Quellen- vs. Senkenfunktionen ökologischer Lebensräume Teil der Produktions-Reproduktions-Differenz systematisch zu hinterfragen und, wo möglich, aufzubrechen wären. Gesellschaftliche Planung richtet den Blick auf die (Re-)Produktivität von „Naturen“ – sie ist jenseits der o.g. Trennungsverhältnisse und zwischen den Politikfeldern zu konzeptualisieren.

Die Sektoralisierung von Planungs- und Managementfunktionen im Umweltbereich – z.B. in Abfallpolitik im Unterschied zu Stoff- und Chemiepolitik, in Stoffpolitik im Unterschied zu Energie- und Klimapolitik, in Flächenmanagement im Unterschied zu Boden- und Naturschutz, in Versorgungs- vs. Entsorgungsplanung und -management – wird fragwürdig. Nicht zufällig zeichnen sich daher feministische Ansätze dadurch aus, dass hier anders als in der traditionellen Umweltforschung integrierte Konzepte und Problemlösungen entstehen: In diesem Forschungsfeld realisierte Arbeiten lassen sich den sonst üblichen Kategorien Luftreinhaltung und Klimaschutz, Boden-, Gewässerschutz und Abfallpolitik nur selten eindeutig zuordnen. Feministische Ansätze zur Umweltforschung liegen meist „quer“ dazu – verbinden Abfallfragen mit Risikowahrnehmung und Gesundheitsverantwortung, Schadstoffforschung mit Produktentwicklung und Lebensstilforschung, technische Umweltforschung mit Umweltkommunikation und -bildung etc. Dies wird im Folgenden anhand einiger feministischer Zugänge zur Umwelt- und Ressourcenplanung exemplarisch verdeutlicht.

Konkretisierungen

Abfallwirtschaft hat der feministische Diskurs frühzeitig geschlechterdifferenziert im Zusammenhang mit Alltagsökologie und -verantwortung thematisiert10. Dass Umweltverantwortung vor allem in den Verantwortungsbereich der Haushalte und damit in die sozial weibliche Sphäre verlagert wird, wurde als dominantes Muster in der Schaffung umweltorientierter Politik- und Planungskonzepte kritisiert. Die feministische Diskussion zur Abfall- und Müllproblematik führte daher über die Konzeptualisierung von Abfallvermeidungsstrategien und die Kritik an der Feminisierung der Umweltverantwortung dazu, dass geschlechterperspektivische Forschung zu Stoffströmen entstand: Fragen der Stoffbewertung und Produktentwicklung werden hier in unmittelbarer Verbindung mit der Frage nach der Gestaltungsmacht von Frauen bearbeitet11.

In Bezug auf die Regulierung des gesellschaftlichen Umgangs mit Wasser bearbeiten feministische Umweltforscherinnen die Fragen nach dem Zusammenwirken von Quellen- und Senkenfunktionen, von Ressource und Medium, von Versorgung mit und Entsorgung in Wasser, von Wassermenge und Wassergüte und schließlich von Gebrauchszweck und Warenform des Wassers12. Sie gehen davon aus, dass ein nachhaltiger Umgang mit Wasser die Überwindung der teilenden, trennenden, ab- und begrenzenden Rationalität und Praxis im Umgang mit Wasser voraussetzt. Erst dort, wo sich Entsorgungskalküle mit der Sorge um gegenwärtige und der Vorsorge für künftige Versorgung mit Wasser verbinden, entfaltet sich ein freier Blick auf eine nachhaltige Gewässerbewirtschaftung. Ressourcenplanung entwickelt sich auf diese Weise systematisch als politische Planung: Wasserpolitik ist Wirtschaftspolitik ist Gesellschaftspolitik ist Umweltpolitik. Jenseits der dem Wasser aufgezwungenen Trennungen in Quellen- und Senkenfunktionen, in Ressource (zur Versorgung) und Medium (zur Entsorgung) sowie zwischen Ideal- und Materialnatur ist ein raum- und zeitgebundenes Wissen über den Umgang mit Wasser gefragt: Alltags- und Erfahrungswissen verwandelt sich zu einer für die gesellschaftliche Planung wesentlichen Ressource, die es mit Ingenieurswissen zu verbinden gilt.

Auf Basis des analytischen Zugangs, der die Vermitteltheit sozialer und ökologischer Krisenphänomene thematisiert, rücken auch in der räumlichen Planung konzeptionelle und integrative Problemlösungen ins Blickfeld. Im Unterschied zu Nachhaltigkeitsstrategien, die auf quantitative Reduktionsziele fokussieren und für die Umsetzung vor allem ökonomische Instrumente und planerisches Management präferieren, macht die feministische Sicht Strategien der qualitativen Bestands- und Innenentwicklung geltend. Ihre geschlechterdifferenzierte Analyse der Ursachen des Flächenverbrauchs und die Darstellung der Flächeninanspruchnahme durch erwerbs- und versorgungswirtschaftliche Aktivitäten macht es möglich, Netzqualitäten der Stadt zu entdecken, zu erneuern und/oder zu schaffen. Die von geschlechtersensiblen Raumwissenschaftlern/innen und Planer/innen seit den 1980er Jahren formulierten Forderungen, z.B. nach Nutzungsmischung, nach der „Stadt der kurzen Wege“, nach Verkehrsvermeidung und Freiraumqualitäten, basieren auf einem sozial weiblichen Erfahrungshintergrund. Frauen sind Managerinnen sehr verschiedener Alltagsrealitäten. Geschlechtergerechte Gestaltung von Siedlungsräumen lässt sich daher beschreiben als eine Aufgabe der Sicherung und Stärkung der gelebten Vielfalt an Lebensformen. Es gilt, dies als Prämisse von Strategien der nachhaltigen Stadt- und Regionalentwicklung zu setzen. Indem sozial weibliche Lebensformen als Lebensmodelle für Frauen und für Männer vorausgesetzt werden, lassen sich Raumentwicklungsziele aus der Perspektive der Lebenswelt formulieren und realisieren. Damit ist die Grundlage für ein nachhaltiges Flächenmanagement in Städten und Regionen geschaffen.

Perspektiven

Anhand der hier exemplarisch beschriebenen feministischen Zugänge zu ausgewählten Problemfeldern der Umwelt- und Ressourcenplanung wird sichtbar, dass und wie die auf wissenschaftstheoretischer Ebene von Feministinnen kritisierte gesellschaftliche Konstruktion der Frau=Natur-Identität13, deren Funktion in der Industriemoderne es war, die Ausgrenzung von Frauen aus dem Vergesellschaftungsprozess und die Abspaltung des „Reproduktiven“ aus der Warenökonomie zu legitimieren und abzusichern, sich durch gesellschaftliche Planung aufbrechen lässt. Dabei kommt es neben einer paradigmatischen Umorientierung in Hinblick auf die Inhalte und Ziele der Planung entscheidend auch auf prozedurale Kriterien an: Planungsprozesse sind geschlechtergerecht und Diversity-sensibel, d.h. an der Vielfalt der Lebensbedürfnisse verschiedener Akteure orientiert, zu gestalten; und hierbei ist die Vielfalt nicht menschlicher Lebewesen gleich berechtigt zu berücksichtigen, wenn der herrschaftlich instrumentelle Zugang zu und Umgang mit „Natur“ aufgebrochen und aufgegeben werden soll.

Die Entwicklung feministischer Forschungen lässt ein für Geschlechterforschung und -politik typisches Problem erkennen, das sich auch in den verschiedenen Zugängen zu Umweltforschung und -planung spiegelt: das eingangs schon erwähnte Problem, dass die kritisierten Trennungen, Dichotomisierungen und damit verbundenen Hierarchisierungen weitergetragen werden dann, wenn Forschung und Planung das bisher Ausgegrenzte in den Mittelpunkt rücken. Die Herausforderung liegt daher in der stärkeren Vermittlung feministischer Ansätze einerseits und in ihrer stärkeren Verklammerung durch Kategorien, die in der Schnittfläche gesellschaftlicher Natur- und Geschlechterverhältnisse sozial-ökologisch weiterzuentwickeln sind, andererseits. So ist bspw. die Kategorie (Re-)Produktivität für die verschiedenen empirisch besonderen Problemfelder theoretisch auszudifferenzieren und konzeptionell zu konkretisieren14.

Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich zu der im Anfang der feministischen Umweltdebatte beschriebenen und kritisierten Produktions-Reproduktions-Differenz aktuell gravierende Verschiebungen und Brüche ereignen. In den dramatischen Prozessen des aktuellen ökonomisch-sozialen Strukturwandels in Verbindung mit der rasanten Entwicklung neuer Technologien nehmen die Kategorien Natur und Geschlecht je für sich und in ihrer Verbindung neue Formen an: Neue Ausgrenzungen und Abwertungen kommen zum Tragen dort, wo das vormals „Reproduktive“ zur Basisressource neuer ökonomisch-technischer Systeme wird – und dies gilt für sozial weibliche Kompetenzen ebenso wie bspw. für Biodiversität. Diese Entwicklungen gilt es kritisch zu beobachten und durch gesellschaftliche Planungen mitzugestalten. Dafür sind die Positionen feministischer Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung unentbehrlich. Auf die allzu bekannte Strategie, feministische Konzepte aufzugreifen, ihre kritische Substanz herauszubrechen, um sie sodann in tradierte, anscheinend herrschaftsneutrale Konzepte rückzuübersetzen, dürfen wir nicht eingehen. Denn die Gefahr, dass auf diese Weise alte oder neue diskriminierende Strukturen stabilisiert werden oder/und neue hinzukommen, ist offensichtlich. Gesellschaftliche Planung ist als ein Raum der Emanzipation auszugestalten und als solcher zu verteidigen.

Anmerkungen

1) Zur Wissenschaftstheorie von Donna Haraway. In: Haraway, Donna (1995): Die Neuerfindung der Natur. Primaten, Cyborgs und Frauen, Frankfurt/M. u. New York, S.26

2) Ortner, Sherry B. (1974): Is Female to Male as Nature Is to Culture? In: Rosaldo Michelle Zimbalist/Lamphere Louise (Hg.): Woman, Culture, and Society. Standford, S.67-87

3) Haraway a.a.O.

4) Haraway a.a.O., 94

5) Vgl. Orland, Barbara, u. Rössler, Mechthild (1995): Women in Science – Gender in Science. Ansätze feministischer Naturwissenschaftskritik im Überblick. In: Orland, Barbara u. Scheich, Elvira (Hg.): Das Geschlecht der Natur. Frankfurt/M., 13-63

6) Hammer, Carmen, u. Stieß, Immanuel in: Haraway a.a.O., 27

7) Scheich, Elvira (1995): Klassifiziert nach Geschlecht. Die Funktionalisierung des Weiblichen für die Genealogie des Lebendigen in Darwins Abstammungslehre. In: Orland, Barbara u. Scheich, Elvira (Hg.): Das Geschlecht der Natur, Frankfurt/ M., 270-288

8) Biesecker, Adelheid, u. Hofmeister, Sabine (2006): Die Neuerfindung des Ökonomischen. Ein (re)produktionstheoretischer Beitrag zur Sozial-ökologischen Forschung, München

9) Biesecker u. Hofmeister, a.a.O.

10) Schultz, Irmgard u. Weiland, Monika (1991): Frauen und Müll. Frauen als Handelnde in der kommunalen Abfallwirtschaft. Frankfurt/M.

11) Weller, Ines (2004): Nachhaltigkeit und Gender. Neue Perspektiven für die Gestaltung und Nutzung von Produkten, München

12) Vgl. z.B. Knothe, Bettina (2003): Ansätze für ein vorsorgeorientiertes regionales Handlungskonzept für die nachhaltige Nutzung von Wasser. Dissertationsschrift Universität Lüneburg

13) Scheich, Elvira u. Schultz, Irmgard (1987): Soziale Ökologie und Feminismus. Sozial-ökologische Arbeitspapiere AP 2. Frankfurt/M.

14) Biesecker u. Hofmeister, a.a.O.


Univ.-Prof. Dr. Ing. Sabine Hofmeister vertritt seit 1999 das Lehr- und Forschungsgebiet Umweltplanung in der Fakultät III Umwelt und Technik der Leuphana Universität Lüneburg. Ihre Forschungsschwerpunkte sind Soziale Ökologie, Nachhaltige Raumentwicklung sowie Geschlechterverhältnisse & Nachhaltigkeit.

Zum Seitenanfang | Druckversion | Versenden | Textversion