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Klaus Holzkamp

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Neuordnung der Lehrer_innenbildung

08.01.2018: Politische Auseinandersetzung im Zeichen des Nachwuchsmangels

  
 

Forum Wissenschaft 4/2017; view7 / photocase.de

Gibt es aktuell eine Chance, die überkommene schulformbezogene Struktur der Lehrer_innenbildung und der Lehrämter zu überwinden und damit auch die Diskriminierung der nicht-gymnasialen Lehrkräfte in Fragen der Entlohnung und der Unterrichtsverpflichtung? Besteht zugleich die Chance, den Status und die Bedingungen der Lehrer_innenbildung an den Universitäten zu verbessern? Eberhard Brandt hinterfragt Perspektiven einer notwendigen Neuordnung.

Der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) ist es gelungen, sich auf ihrem Freiburger Gewerkschaftstag im Mai 2017 mit den "Leitlinien für eine innovative Lehrer_innenbildung" einmütig auf einen grundlegenden Beschluss zu verständigen, als dessen Kern insbesondere die Überwindung der schulformbezogenen Lehrämter und die Orientierung an Schulstufen anzusehen ist. Die Wirkungsmacht von Gewerkschaftstagsbeschlüssen ist gemeinhin beschränkt.

Aktuell könnten die Bundesländer allerdings durch ihre aktuelle Notlage, die Unterrichtsversorgung zu sichern, dazu kommen, eine ähnliche Richtung einzuschlagen. Die GEW-Leitlinien könnten politische Relevanz bekommen, weil das Fehl in der Unterrichtsversorgung zum Politikum wird, an dem Regierungen und Parteien verlieren oder gewinnen können.

So gelang es der CDU bei den Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen, das Unterrichtsfehl zu skandalisieren und mit einer "Unterrichtsgarantie" zu punkten. Bei den Landtagswahlen in Niedersachsen versuchte die CDU das NRW-Konzept zu kopieren, allerdings mit mäßigem Erfolg. Dies war der Tatsache geschuldet, dass die CDU-FDP-Regierungen durch ihre Entscheidungen im Jahr 2004, die Studienplätze für die Lehrämter zu reduzieren, den Nachwuchsmangel zu verantworten haben und dass sie kein glaubwürdiges Konzept für die Verbesserung der Personalausstattung der Schulen vorlegen konnten.

Das Signal, dass Regierungen und Parteien verlieren können, wenn sie keine Mittel finden, um die Unterrichtsversorgung zu sichern, ist, wie zu hören ist, angekommen. Welche Schlussfolgerungen in den verschiedenen Parteien gezogen werden, ist kaum erkennbar. Immerhin ist in Berlin (unter der Rot-Schwarzen Koalition) und Schleswig-Holstein (Rot-Grün) die Lehrer_innenbildung nach Schulstufen geordnet worden. Die einheitliche Bezahlung nach A13 Z / E13 ist in Berlin für alle Lehrkräfte vorgesehen, in Schleswig-Holstein allerdings noch nicht für die Grundschulen. Werden die politischen Entscheidungen weniger ideologischen (Wir wollen keinen Einheitslehrer!) als pragmatischen Beweggründen (Wir brauchen mehr Flexibilität beim Personaleinsatz und müssen die Attraktivität der Arbeit der Lehrkräfte erhöhen!) folgen?

Aktuelle und strukturelle Aspekte

Notlage und Handlungsbedarfe für die Reform des Lehramtsstudiums

In fast allen Bundesländern kommen viel zu wenig Absolvent_innen des Lehramtsstudiums von den Hochschulen über das Referendariat in die Schulen, um die vorhandenen Stellen zu besetzen. Der Mangel variiert zwischen den Ländern und den Schulformen. Der Mangel konzentriert sich auf die Lehrämter für Grundschulen, Förderschulen sowie Haupt- und Realschulen. (Achtung: Es geht hier um die Bildungsgänge nicht um die Fantasienamen der Schulen, die die einzelnen Länder kreiert haben!) Einen Überschuss gibt es im gymnasialen Lehramt.

Ignorieren der Pensionierungswelle und des steigenden Lehrkräftebedarfs

Generell gilt, dass die Studienkapazitäten und die Gewinnung von Absolvent_innen von den Schulministerien der Länder nicht an die absehbare Pensionierungswelle angepasst worden sind. Die Kultusministerkonferenz war zudem von der Annahme ausgegangen, dass der Bedarf an Lehrkräften sinken würde, weil die Anzahl der Schüler_innen stark abnehmen würde. Die Migrationsbewegungen der letzten Jahrzehnte wurden von den staatlichen Planungsbehörden ebenfalls ignoriert. Sie brachten eine Steigerung der Anzahl der Schüler_innen und zugleich mehr Bedarf an Sprachförderung. Nicht berücksichtigt wurde zudem der zusätzliche Bedarf an Lehrkräften für Ganztagsschulen und für die Umsetzung der Inklusion.

Die GEW hatte rechtzeitig auf diese Problematik hingewiesen - auf Bundesebene und in den Landesverbänden. So hatten z.B. die norddeutschen Landesverbände Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen im Juni 2009 ein Gutachten von Prof. Klaus Klemm zur Entwicklung des Lehrerinnen- und Lehrerbedarfs vorgelegt. Daraus geht hervor, dass voraussichtlich ab 2015/16 beim Höhepunkt der Pensionierungswelle in diesen Bundesländern nicht genügend Bewerber_innen zur Verfügung stehen würden, wenn die politisch Verantwortlichen die Anzahl der Studienplätze für die Lehramtsstudiengänge nicht kurzfristig erhöhen. In anderen Bundesländern verläuft die Pensionierungswelle zeitverschoben.

Die politisch Verantwortlichen in allen Landesregierungen und die Kultusministerkonferenz ignorierten diese Analysen und Aufforderungen und erklärten, es gebe keinen Handlungsbedarf. Die KMK hält an ihrer Prognose und ihrem Planungsinstrumentarium fest, obwohl sich dieses als unrealistisch erwiesen hat.

Lehrkräftemangel an den Schulformen

In Berlin konnten zum Schuljahresbeginn Anfang September 2017 von 850 ausgeschriebenen Grundschulstellen weniger als 200 mit ausgebildeten Grundschullehrkräften besetzt werden. 53 Prozent sind Quereinsteiger, teils mit Lehrbefähigung, teils ohne volle Lehrbefähigung. Die restlichen Stellen werden mit Oberschullehrkräften besetzt, die keine Stellen an Gymnasien oder Integrierten Sekundarschulen / Gemeinschaftsschulen fanden.

Seit 2014 hat sich in Berlin der Lehrermangel verschärft. Hier traf die Pensionierungswelle auf die steigenden Schülerzahlen der wachsenden Metropole. Im Grundschulbereich ist zudem eine direkte Folge der stark beschränkten Ausbildungskapazitäten an den Universitäten zu verzeichnen: Die Wissenschaftsverwaltung hatte jahrelang zugelassen, dass FU und HU Tausende Bewerber_innen abwiesen und fast nur Oberschullehrer_innen ausbildeten.

In Sachsen gehen im Schuljahr 2017 die Stellen und Bewerbungen weiter auseinander als in den Vorjahren. Auf 1.400 ausgeschriebene Stellen gab es 1.160 Bewerbungen von ausgebildeten Lehrkräften, überwiegend mit gymnasialem Lehramt. An Grundschulen betrug die Seiteneinsteigerquote 52 Prozent. Eine zentrale Ursache: Die Studienkapazitäten sind gekürzt worden. Die Zahl der Studienanfänger_innen liegt ca. 1.000 bis 1.200 pro Jahr unter dem Einstellungsbedarf. Die GEW hatte rechtzeitig, aber vergeblich, vor dem Abbau der Studienplätze und den zu erwartenden Konsequenzen gewarnt.

In Sachsen-Anhalt fehlen massiv Lehrkräfte, Referendare und Lehramts-Studierende. In der Ausschreibungsrunde zum Schuljahresstart wurden von 370 Lehrerstellen fast 100 nicht besetzt. Aus Sicht der GEW besteht außerdem ein massiver Stellenmangel.

In Mecklenburg-Vorpommern waren zum Schuljahresanfang 2017 von 408 Neueinstellungen 67 sogenannte Seiteneinsteiger. Das entspricht 16,4 Prozent.

In Bayern bezeichnet Kultusminister Ludwig Spaenle (CSU) die Unterrichtsversorgung an Grund- und Mittelschulen wegen des Nachwuchsmangels als dramatisch. Dagegen werden nur 10 Prozent der Bewerbungen von Gymnasiallehrkräften berücksichtigt. Bayern bietet Gymnasiallehrkräften die Einstellung an Grundschulen und Mittelschulen als Tarifbeschäftigte nach E 11 mit 28 Wochenstunden und zusätzlicher zweijähriger Qualifizierung, die Zugang zur Verbeamtung (A 12) bietet. Dieses Angebot findet nur wenig Zuspruch.

In Baden-Württemberg wurden 700 unbesetzte Stellen verzeichnet, davon 400-500 in Grundschulen. Als Gründe werden "Bewerbermangel" und die Verlängerung des Studiums angegeben. Dagegen wurden 800 Bewerbungen von Gymnasiallehrkräften abgelehnt. Für sie gibt es ein - nur mäßig angenommenes - Einstellungsangebot als Tarifbeschäftigte an Grundschulen, das eine Nachqualifizierung einschließt.

In Hessen gibt es einen eklatanten Lehrkräftemangel an Grund- und Förderschulen bei zugleich hoher Arbeitslosigkeit bei Gymnasiallehrkräften. Das Weiterbildungsangebot (14 Monate) für arbeitslose Gymnasiallehrkräfte, das ermöglichen soll, die Lehrberechtigung an Grundschulen und Förderschulen zu erwerben, wird nur in geringem Maß angenommen.

In Nordrhein-Westfalen konnten von den rund 5.500 neu zu besetzenden Stellen über 2.100 nicht besetzt werden. Die Besetzungsquote beträgt derzeit 53 Prozent. Schulministerin Yvonne Gebauer (FDP) bezeichnet die Situation als "dramatisch". Mit über 540 Seiteneinsteiger_innen wurde ein Rekordwert erreicht. Für die Lehrämter Grundschule sowie Haupt-, Real-, Sekundar- und Gesamtschulen fehlen Hochschulabsolventen, während im Lehramt Gymnasien / Gesamtschulen (Sek-II-Lehrkräfte) ein Überhang vorhanden ist.

In Niedersachsen ist die Lage weit weniger dramatisch, aber strukturell ähnlich. Nach erheblichem Stellenaufwuchs in den letzten vier Jahren (für die steigende Schüler_innenzahl, Ganztagsschulen, Inklusion und Sprachförderung) konnten von 1.800 Ausschreibungen im Sommer 2017 1.530 (84%) besetzt werden, davon 164 durch Quereinstieg. Das Fehl besteht im Lehramt Grundschule sowie im Lehramt Haupt- und Realschule. An den 131 Gesamtschulen wurden fast ausschließlich Stellen mit gymnasialem Lehramt ausgeschrieben. An Gymnasien und Gesamtschulen standen prinzipiell genügend Bewerber_innen zur Verfügung. 30 Prozent der eingestellten Lehrkräfte ziehen aus anderen Bundesländern nach Niedersachsen.

Die Lage auf dem Arbeitsmarkt und Disparitäten in der Unterrichtsversorgung

Die regionalen Disparitäten innerhalb der Bundesländer nehmen zu. Stellen abseits der Metropolen, Großstädte und Universitätsstädte, nicht nur in extrem ländlichen Räumen sind aufgrund der Marktlage in der Regel nur schwer zu besetzen. Zum Teil drohen Regionen abgehängt zu werden. Dies gilt ebenfalls für Schulen, die - aus welchen Gründen auch immer - einen "schlechten Ruf" haben. Speziell gilt dies für Schulen, die aufgrund von sozialräumlichen Bedingungen ihres Einzugsgebietes vor besonderen pädagogischen Herausforderungen stehen.

Gymnasiallehrkräfte für alle Schulformen?

In fast allen Bundesländern besteht ein Überhang an Gymnasiallehrkräften und ein massiver Mangel an Absolvent_innen für die Grundschulen sowie Haupt- und Real-Schulen (Die unterschiedlichen Bezeichnungen für die Schulen, in denen diese Bildungsgänge angeboten werden, dürfen nicht irritieren: Regelschule, Sekundarschule, Oberschule, Mittelschule, Werkrealschule …).

Daraus ergibt sich, dass im Prinzip Gymnasiallehrkräfte an allen allgemeinbildenden Schulformen arbeiten, allerdings zu unterschiedlichen Bedingungen in den einzelnen Bundesländern. Dies führt zu besoldungsrechtlichen, tarifrechtlichen und nicht zuletzt zu pädagogischen Problemen. Auch die unterschiedlichen Regelstundenverpflichtungen der Schulformen führen zu Spannungen.

In Ländern wie Bayern und Baden-Württemberg können Gymnasiallehrkräfte im Beamtenstatus nicht direkt an anderen Schulformen eingesetzt werden, sondern nur, wenn sie eine Qualifizierungsmaßnahme durchlaufen. Die Rechtsvorschriften ermöglichen in anderen Bundesländern, z.B. in Berlin und in Niedersachsen, den unmittelbaren Einsatz auch in den GHR-Schulen. In Berlin werden sie in Grundschulen wie bei einem Einsatz im Gymnasium bzw. der Integrierten Sekundarschule bezahlt (A13 Z / E 13), in anderen Bundesländern, wie in Niedersachsen, wird nach A12 / E11 bezahlt, wenn eine GHR-Schule die Dienststelle ist, wohl aber nach A 13 Z, wenn sie von einem Gymnasium oder einer Gesamtschule mit weniger als der Hälfte der Unterrichtsverpflichtung abgeordnet sind.

Lehrkräfte mit dem gymnasialen Lehramt werden schon immer in Gesamtschulen eingesetzt, bzw. in Schulen, die unter anderem Namen in der Sekundarstufe I drei Bildungsgänge integriert anbieten und eine Sekundarstufe II führen. Neben Lehrkräften mit dem Lehramt für Sekundarstufen-I-Schulen arbeiten Gymnasiallehrkräfte in allen Schuljahrgängen. Sie werden dort unabhängig von ihrem Unterrichtseinsatz nach A 13 Z besoldet.

Die äußeren Bedingungen (Bezahlung, Unterrichtsverpflichtung) sind als ein wichtiger Grund anzusehen, aus dem Gymnasiallehrkräfte häufig vermeiden, an GHR-Schulen arbeiten zu wollen. Deshalb ist auch die Forderung, dass es eine einheitliche Besoldung für alle Lehrkräfte nach A 13 Z / E 13 geben soll, auch in diesem Zusammenhang zentral. Dies gilt auch für eine Angleichung der Regelstundenverpflichtungen. Die beamtenrechtlichen Barrieren, die die Arbeit jeder Lehrkraft an jeder Schulform beeinträchtigen, müssen überwunden werden.

Überwindung der Begabungszuschreibungen

Bedeutsamer scheint eine andere Erfahrung: Wenn das Studium ausschließlich auf die Schulform Gymnasium ausgerichtet ist, sind die Absolvent_innen in der Regel überzeugt, dass es eine besondere Pädagogik für jede Schulform und für jede "Begabung" gibt. Das Denken in begabungstheoretischen Kategorien wird verstärkt und nicht überwunden.

Arbeiten "Gymnasiallehrkräfte" an anderen Schulformen, entwickeln sie häufig das Gefühl, an der "falschen Schulform" die "falschen Schüler_innen" zu unterrichten. ("Dafür bin ich nicht ausgebildet.") Wenn es den aufnehmenden Schulen nicht gelingt, diese Kolleg_innen zu integrieren und für die pädagogische Arbeit an dieser Schulform zu gewinnen, werden sie alles unternehmen, um an die "richtige Schule", das Gymnasium, zu wechseln. Dafür sprechen die Erfahrungen aus den Bundesländern. Die summarische Aussage bedeutet nicht, dass es auch zahlreiche Ausnahmen gibt.

Dass es auch anders geht, zeigen die Gesamtschulen. Sie haben positive Erfahrungen darin, diese Haltung und die Begabungszuschreibungen in den Köpfen der Lehrkräfte zu überwinden.

Im Studium und im Referendariat muss es um die pädagogische Arbeit mit allen Schüler_innen an allen Schulformen gehen. Darauf müssen die Erziehungswissenschaften und die Fachdidaktik orientiert sein. Dies gilt auch für die Integration der Förderpädagogik im Kontext der Inklusion, die die "Leitlinien" vorsehen.

Bei einem einheitlichen Lehramt für die Sek I und Sek II muss die hohe Fachlichkeit des gymnasialen Lehramts erhalten bleiben. Der überkommene Mythos der volkstümlichen Bildung muss endlich vollständig überwunden werden.

Beweggründe für den Run auf das gymnasiale Lehramt

Kurzfristig hat die Verlängerung der Masterphase auf 4 Semester in den GHR-Studiengängen zu einem Ausfall an Absolvent_innen bei den Einstellungen geführt. Diese Entwicklung müsste ab 2018 überwunden sein. Aber eine Folge der Verlängerung des Studiums wird weiter wirken: Die Umorientierung weg vom GHR-Studium hin zum gymnasialen Lehramt.

Seit der Einführung von BA/MA in der Lehrer_innenbildung, insbesondere seit der Anpassung der MA-Phase auf vier Semester wird diese Umorientierung beschleunigt. Wenn man schon genauso lange studiert wie die Gymnasiallehrkräfte, kann man doch gleich dieses Studium wählen, zumal man damit den Anspruch auf eine höhere Bezahlung und eine niedrigere Unterrichtsverpflichtung erwirbt. Diese Tendenz zur Umorientierung ist in vielen Bundesländern seit der Auflösung der Pädagogischen Hochschulen in den siebziger Jahren zu verzeichnen.

Zudem führt die Krise der Schulen mit Hauptschul- und Realschulbildungsgang, die mit der Expansion der Gymnasien einhergeht, dazu, dass ein Lehramt, dass ausschließlich für diese "Verliererschulen" zuständig ist, von den Studierenden geringer angewählt wird.

Beachtet werden muss m.E. aber auch, dass sich das Berufsbild des Grundschullehramts verändert hat und möglicherweise für die Abiturientinnen mit einem traditionellem Familienverständnis nicht mehr so attraktiv ist wie früher: Auch Grundschulen werden in Ganztagsschulen umgewandelt und erfordern auch für die an Grundschulen sehr zahlreichen Teilzeitlehrkräfte eine ganztägige Anwesenheit in der Schule. Umso wichtiger sind die Aufwertung des Grundschullehramts und die Verbesserung der Arbeitszeitregelung.

Fazit: Auch aus rein pragmatischen Gründen ist die Trennung in das niedere und höhere Schulwesen nicht mehr aufrechtzuerhalten. Der Freiburger Gewerkschaftstag hat in den "Leitlinien für eine innovative Lehrer_innenbildung" eine Neugestaltung der Struktur der Lehrämter und der Lehrer_innenbildung vorgelegt, deren Umsetzung in allen Bundesländern auf die politische Agenda gehört.1

Notwendig für die Überwindung des Nachwuchsmangels an Lehrkräften ist, wie die Berichte aus den Bundesländern zeigen, nicht nur die Anhebung der Anzahl der Studienplätze, sondern auch die Veränderung der Studienbedingungen. Wie es sich für eine Gewerkschaft gehört, die "Wissenschaft" in ihrem Namen trägt, enthalten die "Leitlinien" Konzepte für die Steuerung der Kapazitäten für das Lehramtsstudium an den Hochschulen und zur Verbesserung der Bedingungen des Lehramtsstudiums, die es ermöglichen, die exorbitante Abbruchquote zu reduzieren. Dazu ist die Verbesserung der institutionellen Absicherung der Lehrer_innenbildung an den Universitäten (school of education), die Verbesserung der finanziellen Ausstattung sowie ein Personalkonzept, das die Überwindung der hohen Quote an Friststellen enthält, unverzichtbar.

Anmerkung

1) Vgl. den Beitrag "Gute Bildung für eine demokratische, soziale und inklusive Gesellschaft" von Andreas Keller in diesem Heft.

Eberhard Brandt studierte Geschichte und Politik in Marburg, arbeitete als Gesamtschullehrer in Wolfsburg und ist Mitglied der Bundesfachgruppe Gesamtschulen sowie seit 1995 Mitglied des Geschäftsführenden Landesvorstands der GEW Niedersachsen. Von 2003 bis 2017 war er deren Landesvorsitzender.

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