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Demokratiebildung und Nationalstaat

22.06.2017: Politische Bildung zwischen Trans- und Renationalisierung

  
 

Forum Wissenschaft 2/2017; Anthony / fotolia.com

In den gesellschaftspolitischen Auseinandersetzungen um wachsende rechtsextreme und -populistische Tendenzen nehmen Rufe nach einer "Förderung des demokratischen Bewusstseins" breiten Raum ein, mitunter werden dann auch feuerwehrartige Kampagnen zur Politischen Bildung gestartet und bestehende Institutionen entsprechend gefördert. Aber welche Aufgaben kommen Politischer Bildung eigentlich zu und kann sie diese überhaupt erfüllen? Andreas Eis unternimmt eine Bestandsaufnahme und ordnet die Politische Bildung ein in die Auseinandersetzungen um gesellschaftliche Hegemonie.1

Optimistische Konzeptionen europapolitischer und weltbürgerlicher Bildungsideale werden aktuell mit realpolitischen Entwicklungen konfrontiert, die diese normativen Grundannahmen Politischer Bildung nachhaltig erschüttern: das Erstarken rechtspopulistischer, nationalistischer Akteure in "liberalen Demokratien", asylpolitische Maßnahmen, die das Völkerrecht brechen, das Aufkündigen von Freihandels- und Klimaschutzverträgen bis hin zu einer breiten Unterstützung für autoritäre Führungen oder für den Austritt Großbritanniens aus der EU. Im Beitrag soll diskutiert werden, welche Demokratie- und Herrschaftsvorstellungen Politischer Bildung zugrunde liegen, wenn sie (junge) Menschen befähigen möchte, gesellschaftliche Entwicklungen jenseits des Einzelstaates zu verstehen, zu beurteilen und mitzugestalten. Zunächst soll das Spannungsverhältnis zwischen den (west)europäischen, transatlantischen Friedens- und Wohlstandsversprechen einerseits und sozialen Kämpfen in aktuellen Krisen andererseits veranschaulicht werden (1). Anschließend wird skizziert, welche Orientierung didaktische Ansätze in dieser "Welt aus den Fugen" geben können. Dabei stellt sich v.a. die Frage nach der demokratischen Gestaltbarkeit transnationaler und globaler Politik (2). Der Beitrag schließt mit einem methodischen Ausblick zur herrschaftskritischen Erweiterung der Politikanalyse unter Bedingungen entgrenzter Staatlichkeit (3).

Wie erleben junge Menschen heute europäische und internationale Politik? Wie weit tragen die Bildungs- und Demokratieversprechen der Aufklärung, die sich in Konventionen zum Schutz von Menschen- und Bürgerrechten, von Kinderrechten, von Flüchtlingen und in zahlreichen Bildungsprogrammen der UNESCO und des Europarates niederschlagen?2 Wie erleben junge Menschen heute das Projekt der europäischen - und transatlantischen - (West-) Integration, das zu dauerhaften Frieden, Wachstum, Wohlstand und Sicherheit (im globalen Norden) führen sollte und der Europäischen Union 2012 den Friedensnobelpreis einbrachte?

"Welt aus den Fugen?" - Antworten der Politischen Bildung

Europa "nach der Krise" (der Banken, des Euros, des drohenden Staatsbankrotts einiger Mitgliedstaaten, des zugespitzten Demokratiedefizits und der Krise der Refinanzierung der Gemeinwesen) steht zugleich mitten in der Krise einer gescheiterten, unsolidarischen und völkerrechtswidrigen Asyl- und Migrationspolitik sowie vor der Krise des Brexits, dem erstmaligen Austritt einer der größten Volkswirtschaften Westeuropas aus der EU. An den Außengrenzen der EU starben (und sterben) in den letzten zwei Jahrzehnten nach Angaben des UNHCR weit über 20.000 Menschen bei ihrer Flucht im Mittelmeer. Und längst nicht allen Geflüchteten, die Europa erreichen, werden die zugesicherten Standards der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention zuteil. Schon weit vor dem "Sommer der Migration" (2015) verurteilte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mehrfach die unrechtmäßige Inhaftierung und Abschiebung von Geflüchteten.3

Gleichzeitig organisieren sich selbsternannte "patriotische Europäer" gegen "Überfremdung", schüren Ängste vor einer "Islamisierung des Abendlandes" und protestieren gegen "bürgerferne Eliten". Die Wahlerfolge rechter Parteien haben sich auf hohem Niveau stabilisiert und das Parteiensystem in Europa nachhaltig verändert. Große Koalitionen (faktisch auf EU-Ebene, formal in der BRD oder in Österreich) scheinen damit auf Dauer gestellt und als Konsequenz einer vermeintlich "alternativlosen", "marktkonformen" Politik die politischen Ränder weiter zu stärken. Europaskeptische und rechtsnationale Parteien bilden mittlerweile zwei starke Fraktionen im Europäischen Parlament (EFDD; ENF). Zusammen haben sie mit 82 Sitzen bereits die Grünen (51) und die Linke (52) deutlich überholt und inszenieren sich als neue Interessenvertreter für die autochthone Arbeiterklasse und andere "Globalisierungsverlierer".4

Politisches Engagement und Protest verfolgen keineswegs nur emanzipatorische Ziele, sie mobilisieren auch gegen Minderheiten, den Bau von Moscheen und Minaretten, gegen Bildungspläne für die Anerkennung sexueller Vielfalt. Bei "Mahnwachen für den Frieden" als Reaktion auf den Krieg in der Ostukraine 2014 treffen Vertreter der Friedensbewegung auf nationalistische Akteure, die in neuen "Querfront"-Bewegungen und "alternativen" Medien (wie Compact oder KenFM) Verschwörungstheorien gegen die Federal Reserve, die "Lügenpresse" und das internationale (bzw. das US-amerikanische) Finanzkapital verbreiten. Zivilgesellschaftliche Gruppen wie Gewerkschaften, Sozialverbände, Kirchen und NGOs, die sich wiederum seit Jahren gegen TTIP und CETA sowie für faire Bedingungen globalen Welthandels engagieren, sehen sich plötzlich in einer ungewollten "Allianz" mit einem nationalistischen, Menschen- und Bürgerrechte missachtenden Präsidenten der USA, der nicht nur Freihandelsverträge aufkündigt, sondern nationale Grenzen mit Mauern sichern, Millionen von Arbeiter*innen ohne legalen Aufenthaltsstatus des Landes verweisen will und die "Auslöschung" des "radikal-islamischen Terrors" durch eine "zivilisierte Welt" ankündigt, die sich dazu auch der Androhung von Folter bedienen dürfe.

Wie kann Politische Bildung in dieser "Welt aus den Fugen" Orientierung geben?5 Wie gehen wir mit den Widersprüchen um, die zwischen normativen Versprechen von Demokratie, Menschenrechten und Weltbürgerschaft als Global Citizenship Education von der UNESCO, dem Europarat oder der Kultusministerkonferenz in zahlreichen Programmen postuliert und verankert werden, den realpolitischen Entwicklungen aber vielfach diametral entgegenstehen?

Demokratische Gestaltungsräume jenseits des Nationalstaates?

Welche Zugänge eröffnet Politische Bildung, um veränderte Lebens- und Arbeitsbedingungen "in der Weltgesellschaft" nicht nur verstehen, sondern auch mitgestalten zu können? Sind soziale Teilhabe und demokratische Mitbestimmung überhaupt auf einer globalen Ebene als "Weltbürgerrecht" zu realisieren, das nicht nur auf "allgemeine Hospitalität" (Kant) beschränkt bleibt? Oder stellen europapolitische Konzepte nicht eine realistischere Perspektive dar, trotz bestehender Defizite, politische Gleichheit, Solidarität und Öffentlichkeit als Voraussetzungen für demokratische Gestaltung eines Gemeinwesens zu entwickeln?6

"Jetzt erst ist Kants Einsicht, ein Unrecht, das irgendwo auf der Welt geschehe, werde überall als solches erfahren, zur alltäglichen Selbstverständlichkeit eines jeden Menschen geworden. Die ferne Welt Hongkongs ist dem Hartz IV Empfänger aus Gelsenkirchen so vertraut (und unvertraut zugleich) wie die nahe Welt, in der er die ›langen Sonntage‹ […] seiner globalisierungsbedingten Arbeitslosigkeit verbringt und im Internet bestellt, was unterbezahlte Kinder in Südostasien produziert haben."7. Mit dem Konzept der "Weltgesellschaft" werden seit Jahrzehnten globale Abhängigkeiten und damit verbundene entgrenzte Risiken analysiert (Club of Rome; UN-Konferenz in Rio 1992; Weltgipfel Rio+20). Gleichzeitig werden dabei immer auch die Grenzen politischer Handlungsfähigkeit von "Global Governance" mit Verweis auf das "Souveränitätsparadox" deutlich: "Je beharrlicher Regierungen an der konventionellen Vorstellung der absoluten Souveränität im Feld der politischen Abhängigkeiten festhalten, desto eher scheitern sie bei der Bewältigung globaler Herausforderungen, und mit jedem Scheitern untergraben sie Stück für Stück ihre Möglichkeit der Politikgestaltung"8.

Umso ambivalenter wirken Bildungsprogramme, die versuchen, Kinder und Jugendliche mit transnationalen Problemlagen und ihrer eigenen Eingebundenheit in globale Konsum- und Produktionskreisläufe zu konfrontieren. Seit dem UN-Weltaktionsprogramm Bildung für nachhaltige Entwicklung (BNE) werden Ansätze "der Umweltbildung, des Globalen Lernens, der Verbraucherbildung etc." im BNE-Konzept zusammengeführt.9 Bildung wird eine demokratiepolitische Funktion zugesprochen und soll als "Transformation des Denkens und Handelns" verstanden werden. Gleichwohl dominieren weithin individualisierte Verantwortungszuschreibungen und "technische Lösungen" im Sinne eines nachhaltigen Verwaltungshandelns. Der Verweis darauf, dass "politische Regulierungen und Finanzinstrumente allein" die globalen Ziele einer nachhaltigen Entwicklung (Sustainable Development Goals) nicht erreichen können, ist zugleich trivial und ein herrschaftsblindes Missverständnis.10 Der KMK-Orientierungsrahmen für den Lernbereich globale Entwicklung11 listet zahlreiche förderungswürdige Kompetenzen auf, wie "globales Problembewusstsein", "Wertehaltungen", "Gestaltungskompetenzen" u.v.a.12 Gründe dafür, warum gerade "politische Regulierungen und Finanzinstrumente" nicht zur Verfügung stehen, warum globales Regierungshandeln (Governance) bis auf wenige äußerst fragwürdige Bereiche (wie z.B. Freihandelsabkommen oder Institutionen wie die WTO, der IWF oder die Weltbank) regelmäßig scheitern (oder lediglich in vagen Selbstverpflichtungen enden), finden jedoch kaum Eingang in die Themenschwerpunkte der ambitionierten Bildungskonzepte. Vielmehr überwiegen - ähnlich wie in den Programmen des Europarates zu Human Rights Education und Democratic Citizenship Education - idealistische Bildungsansprüche: "Live in peace", "Give everybody equal chances", "Participate in decisions".13

Die Ursachen für globale Ungleichheit, Ausbeutung und Diskriminierung werden vielfach nicht analysiert, sondern nach Lösungen individualisierter Kompetenzentwicklung gesucht, die an den politischen Fragen nach den zugrunde liegenden sozialen Kämpfen, den Bedingungen und Hindernissen kollektiver Handlungsfähigkeit und Solidarisierung jenseits des Einzelstaates weitgehend vorbei gehen.

Politikanalyse unter Bedingungen entgrenzter Staatlichkeit14

Die Absicherung von Herrschaftsverhältnissen kann in globalisierten ökonomischen und kulturellen Räumen immer weniger allein durch nationale oder auch transnationale staatliche Regierungsinstitutionen im engeren Sinne sichergestellt und legitimiert werden. Die Governance-Forschung untersucht diese "Entgrenzungen" staatlichen Regierens anhand der Analyse "nicht-hierarchischer" Formen allgemeinverbindlicher Entscheidungsfindung und Selbstregulierung. Diese Steuerungsmodi verschieben deutlich die bisherigen Grenzen zwischen staatlichen, privaten, ökonomischen und zivilgesellschaftlichen Akteuren.15 Politisches "Handeln" wird dabei weitgehend auf Verwaltung, d.h. auf die Regulierung technischer Probleme reduziert, im Sinne einer effizienten Herstellung "allgemeinverbindlicher" Problemlösungen. Die höchst ungleich verteilten politischen Einflussmöglichkeiten bleiben in diesen Policyanalysen ebenso wie sozio-ökonomische und ideologisch-kulturell abgesicherte Herrschaftsverhältnisse weitgehend unberücksichtigt.

Eine hegemoniekritische Politikanalyse beabsichtigt hingegen, gerade diese Herrschaftsblindheit in einem jeweils spezifischen Politikfeld empirisch zugänglich zu machen.16 Die Methode der "historisch-materialistischen Politikanalyse"17 wurde im Rahmen eines DFG-Projektes entwickelt und durch Fallstudien zur Migrationskontrollpolitik sowie zu den "sozialen Rechten" der Unionsbürgerschaft operationalisiert. Dabei können vor dem Hintergrund der multiplen Krise europäischer (Des-)Integration zunächst fünf verschiedene politische "Projekte" unterschieden werden, die versuchen gesellschaftlich hegemonial zu werden, d.h. als Reaktion auf die in die Krise geratene Ordnung um kulturell-ideologische Deutungsmacht zu kämpfen. Dabei bestimmt heute weitgehend das (1) "neoliberale Hegemonieprojekt" die europäische Integrationspolitik.18 Im Mittelpunkt steht hier die Flexibilisierung von (Re-)Produktionsverhältnissen, die Finanzialisierung der Ökonomie, verbunden mit einem "autoritären Etatismus"19, der in erster Linie die Interessen der Finanzmärkte durchsetzt und auf Wettbewerbsfähigkeit in allen Gesellschaftsbereichen ausgerichtet ist. Eine "rationale Migrationspolitik" steht unter der Prämisse, qualifizierte Fachkräfte anzuwerben und "ungenutzte Potentiale" auszuschöpfen.20 Das neoliberale Projekt konnte sich seit der Krise des Fordismus in den 1970er Jahren als Gegenmodell zu dem bis dahin dominanten (2) "proeuropäisch-sozialen Hegemonieprojekt" durchsetzen. Dieses keynesianisch orientierte Hegemonieprojekt wird weiterhin von vielen Gewerkschaften und europäischen Intellektuellen unterstützt. Sie fordern mehr demokratische Kontrolle, eine weitere Aufwertung des Europäischen Parlaments und eine gemeinsame europäische Migrations- und Sozialpolitik. Europaskeptische Positionen gibt es hingegen im konservativen Lager ebenso wie bei den Linken. Entsprechend eines (3) "national-konservativen Hegemonieprojektes" oder auch eines (4) "national-sozialen Hegemonieprojektes" wird von äußerst heterogenen Akteuren argumentiert, dass Demokratie und Sozialstaat nur in Abgrenzung zur EU auf der nationalen Ebene gesichert werden könnten.21 Während national-konservative Akteure in der Migrationspolitik eine strikte Begrenzung der Einwanderung fordern und ein verpflichtendes Bekenntnis zu einer nationalen "Leitkultur" einfordern, richtet das national-soziale Projekt seine politische Strategie auf die Sicherung der wohlfahrtsstaatlichen Kompromisse für die "nationale Arbeiterklasse"22 als eine "Form der privilegierten Gemeinschaft"23. Gemäß eines (5) "links-liberal alternativen Hegemonieprojektes" kritisieren u.a. viele NGOs die Abgrenzung der EU nach außen, fordern eine neue Migrations- und Menschenrechtspolitik, aber auch eine demokratisch kontrollierte faire Handelspolitik und eine glaubwürdige Entwicklungszusammenarbeit und Umweltpolitik, um Fluchtursachen nachhaltig entgegenzuwirken.

Die hier nur schlagwortartig skizzierten Hegemonieprojekte werden von der Forschungsgruppe "entlang von fünf Dimensionen beschrieben: (1.) der Strategie in Bezug auf die Europäisierung; (2.) der sozialen Basis des Projektes; […] (3.) durch die migrationspolitische Konkretisierung der allgemeinen Strategie; (4.) die Benennung der zentralen Akteur*innen; und (5.) schließlich entlang der Machtressourcen dieser Akteur*innen"24. Die Bedeutung dieses analytischen Ansatzes für die Politische Bildung ergibt sich insbesondere aus der ambivalenten Rolle der Zivilgesellschaft als zentralem Feld der Hegemoniebildung aber auch hinsichtlich der Potentiale emanzipatorischer Praxis. Die Anschlussfähigkeit zeigt sich also zum einen in der Erweiterung von Modellen der Policyanalyse, die sich v.a. in der schulischen Politikdidaktik häufig am Politikzyklus (einer "Problemstudie") orientieren und das Politische auf ein herrschaftsblindes "Problemlösungshandeln" im Dienste des "Gemeinwohls" reduzieren. Eine zweite Konsequenz ergibt sich aus der Analyse, dass die entscheidenden sozialen Kämpfe darum, welchen Akteuren und Gruppen es gelingt, "ihre Partikularinteressen zu verallgemeinern, das heißt, sie hegemonial werden zu lassen"25, in allen drei Sphären des "integralen Staates" (Gramsci) geführt werden, also nicht nur durch staatliche Akteure, sondern auch im Bereich der gesellschaftlichen Produktion und Reproduktion sowie in der Zivilgesellschaft.26

Die Zivilgesellschaft steht gerade in Konzepten des europabezogenen und globalen Lernens (und der BNE) im Mittelpunkt emphatischer Erwartungen zur Öffnung schulischer Bildung in die Bereiche des Engagement-Lernens einer "aktiven Bürgerschaft" (Active Citizenship Education). Während die Zivilgesellschaft immer wieder als "Schule der Demokratie", als Hoffnungsträgerin für mehr "Bürgerbeteiligung" und neue Formen deliberativer Demokratie bemüht wird, bleibt ihre widersprüchliche Funktion zur konsensuellen Absicherung von Herrschaftsverhältnissen und als Terrain zur Austragung sozialer Kämpfe bislang weitgehend unberücksichtigt. Hier eröffnet sich ein herrschaftskritischer Zugang, der es erlaubt, politische Gestaltungsräume unter Bedingungen entgrenzter Staatlichkeit nicht nur zu postulieren (oder im sozialen Engagement aufzulösen), sondern empirisch zu untersuchen, welche gesellschaftlichen Interessen von konkreten Akteuren und Bündnissen in aktuellen Konflikten und in unterschiedlichen Politikfeldern vertreten werden und warum sich diese (nicht) durchsetzen und demokratisch legitimieren lassen.

Anmerkungen

1) Eine ausführlichere Fassung dieses Beitrages findet sich in: Sabine Achour /Thomas Gill (Hg.): Was politische Bildung alles sein kann, Berlin: Landeszentrale für politische Bildung (i. E.).

2) Vgl. en.unesco.org/gced; www.coe.int/en/web/edc.

3) Franck Düvell 2013: "Flüchtlinge an den Grenzen Europas", in: APuZ 47/2013: 24-30.

4) Didier Eribon 2016: "Wie aus Linken Rechte werden. Der vermeidbare Aufstieg des Front National", in: Blätter für deutsche und internationale Politik, 8/2016: 55-63.

5) Vgl. die durch Studierende selbstorganisierte Ringvorlesung und Blog-Beiträge "Welt aus den Fugen? Krisen, Konflikte, Widerstand" (WiSe 2016/17 Uni Kassel: weltausdenfugen.wordpress.com).

6) Andreas Eis 2013: "Der europabezogene Ansatz: Politische Bildung in entgrenzten Demokratien", in: Carl Deichmann / Christian K. Tischner (Hg.): Handbuch Dimensionen und Ansätze in der politischen Bildung, Schwalbach: 129-144; Claire Moulin-Doos 2016: "Bürger als Mit-Akteur und Rechtssubjekt: Europäische und globale Bürgerschaft als Orientierung für die politische Bildung?" In: ZEP 2: 12-16.

7) Hauke Brunkhorst 2016: "Weltgesellschaft. Soziale Evolution weltgesellschaftlicher Strukturen", in: Regina Kreide / Andreas Niederberger (Hg.): Internationale Politische Theorie. Eine Einführung, Stuttgart: 67-94; hier: 67.

8) Inge Kaul 2016: "Global Governance und das Souveränitätsparadox", in: Engagement Global (Hg.): Orientierungsrahmen für den Lernbereich Globale Entwicklung im Rahmen einer Bildung für nachhaltige Entwicklung, 2. akt. u. erw. Aufl., Bonn: 46.

9) Engagement Global (Hg.) 2016, siehe Fn 8: 31.

10) Vgl. www.globaleducationfirst.org.

11) Vgl. Engagement Global 2015: KMK-Orientierungsrahmen für den Lernbereich globale Entwicklung, Bonn.

12) Ebd.: 55ff.; 84ff.

13) www.coe.int/en/web/edc.

14) Vgl. ausführlicher den hier skizzierten Ansatz in: Andreas Eis 2013, siehe Fn. 6; Andreas Eis / Juliane Hammermeister 2017: "Herrschaftskritik und emanzipative Praxis: Hegemonie und Zivilgesellschaft als pädagogisches Verhältnis bei Antonio Gramsci", in: Markus Gloe / Tonio Oeftering (Hg.): Politische Bildung meets Politische Theorie , Schwalbach: 103-119.

15) Andreas Eis 2013, siehe Fn. 6: 133ff.

16) Sonja Buckel / Fabian Georgi / John Kannankulam / Jens Wissel 2014: "Theorie, Methoden und Analysen kritischer Europaforschung", in: Forschungsgruppe "Staatsprojekt Europa" (Hg.): Kämpfe um Migrationspolitik. Theorie, Methode und Analysen kritischer Europaforschung, Bielefeld. 15-84.

17) Ebd.: 43ff.

18) Ebd.: 65ff.

19) Ebd.: 33.

20) Ebd.: 66.

21) Ebd.: 47ff.

22) Ebd.: 74.

23) Balibar, zit. nach Buckel u.a. 2014, siehe Fn. 16.

24) Ebd.: 64.

25) Buckel u.a. 2014, siehe Fn. 16: 44.

26) Vgl. Eis/Hammermeister 2017.

Andreas Eis ist seit 2015 Professor für Didaktik der Politischen Bildung an der Universität Kassel. Seine Forschungsschwerpunkte sind europapolitische Bildung, Transformationen und Vergesellschaftung, Diversität und partizipatorische Demokratiebildung.

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