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Klaus Holzkamp

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Ohne SIE geht gar nichts in der Hochschule!

12.02.2015: Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung im Spannungsfeld

  
 

Forum Wissenschaft 4/2014; Foto: Rawpixel / shutterstock.com

In Diskussionen zur Hochschulpolitik und Betrachtungen über Arbeitsbedingungen im Hochschulbereich stehen primär die akademischen Statusgruppen im Mittelpunkt: besonders die ProfessorInnen und die Studierenden, bisweilen auch der wissenschaftliche Mittelbau. Selten hingegen wird die Situation der nichtwissenschaftlichen MitarbeiterInnen thematisiert. Gisela Notz rückt dieses "unsichtbare Personal" der Hochschulen in den Fokus ihres Beitrags.1

Wenn wir davon ausgehen, dass es angesichts der vielen gut ausgebildeten Frauen in allen Bereichen der Hochschule nicht mehr darum geht, dass Gleichstellung auf die Frauen und ihre individuellen Kompetenzen zielt, sondern auf Veränderung der Strukturen und Organisationen, hier der Universitäten und Hochschulen, so spielt das Personal an Hochschulen eine große Rolle.

Dabei wird grundsätzlich zwischen dem wissenschaftlichen und künstlerischen Personal sowie dem nichtwissenschaftlichen Personal unterschieden. Aber auch dieses nicht-wissenschaftliche Personal ist höchst unterschiedlich:

In der internationalen Literatur werden die Begriffe "nichtwissenschaftliches Personal" und "Verwaltungspersonal" häufig synonym verwendet. Allerdings umfasst das Verwaltungspersonal an deutschen Hochschulen nur einen Teil des nichtwissenschaftlichen Personals.

In der amtlichen Statistik ist es ausgewiesen als verwaltungstechnisches und sonstiges Personal.2 Dazu zählen BeamtInnen und ArbeitnehmerInnen der Zentral- und Fachbereichsverwaltungen und Bibliotheken, IngenieurInnen und TechnikerInnen, Pflegepersonal an den Hochschulkliniken, HausmeisterInnen, PförtnerInnen, Auszubildende usw. Das "technische Personal" umfasst auch den Datenverarbeitungsdienst. Das große I habe ich eingefügt - die Statistik benutzt ausschließlich die männliche Form. Hinzurechnen müssten wir auch HandwerkerInnen, KinderbetreuerInnen, GärtnerInnen, StudienberaterInnen.

Ich war selbst einmal in der Hochschulverwaltung tätig, daher beginne ich mit eigenen Erlebnissen.

Hochschulsekretärin in den 1960er Jahren

Meine Zeit als "Lehrstuhlsekretärin", so hieß das damals, an der Technischen Universität in Berlin begann 1966. Ich erinnere mich an den Bunsenbrenner, den mein Chef Professor Dr. Dr. Kölbel in seinem Zimmer stehen hatte und auf dem ich das mitgebrachte Mittagessen aufwärmen sollte. Das habe ich verweigert, was mir - zusammen mit einer Reihe anderer Vorgänge den Vermerk in meinem Zeugnis einbrachte: "Fräulein Vey hat sich bemüht, den hohen Anforderungen, die an eine Lehrstuhlsekretärin gestellt werden, gerecht zu werden." Erst viel später erfuhr ich, wie vernichtend ein solches Zeugnis gemeint war. Es hatte nichts geholfen, dass ich eifrig stenographierte, wenn ER rief: "Fräulein Vey, kommen Sie mal mit Ihrem Blöckchen" und auch nicht, dass ich seine Texte dann ebenso eifrig tippte. Ich war keine Studentin, ich war SEINE Sekretärin. Den Fahrstuhl durfte nur ER und sein Oberassistent benutzen und der Weg zum "blauen Zimmer", der Mensa, in der ER an blauer Tischdecke speiste, war mir versperrt.

Ein Erlebnis werde ich allerdings nie vergessen: Der Oberassistent Herr Hammer hatte gerade seine Prüfung zum Dr. Hammer hinter sich gebracht. Der frisch gebackene Herr Dr. steht am Aktenschrank, der schon nicht mehr ganz so frische Lehrstuhlinhaber betritt den Raum, schüttelt Dr. Hammer überschwänglich die Hand und ruft aus: "Nun Herr Dr. Hammer, jetzt sind Sie endlich auch ein Mensch geworden!" Dass ich als quasi Einrichtungsgegenstand in diesem Zimmer, in dem ich vor der Schreibmaschine saß und zwar lesen, schreiben und rechnen und aufgeregte Mütter trösten konnte, von der Menschwerdung jedoch völlig ausgeschlossen war, blass wurde, bemerkten beide nicht, weil ich schließlich in ihren Augen kein Mensch war - ich gehörte zur Schreibmaschine. Eigentlich gab es nur einen anerkannten Beruf an der Universität und das war der Professor.

Versehen mit meinem schon erwähnten Zeugnis habe ich die Universität bald verlassen; in dem Bewusstsein, dass sich an der Universität etwas ändern müsse.

Ich war damals ein "Mädchen ohne Berufsausbildung". Ich entstammte einer ziemlich klassenbewussten Arbeiterfamilie. Als ich mit 24 Jahren nach Berlin kam, hatte ich schon acht Berufsjahre als Schreibkraft hinter mir und war von der Gruppe X BAT nach der Gruppe VII aufgestiegen. Höher wäre ich nicht gekommen. Die Barrieren, die Arbeiterkinder und gar Arbeitertöchter von der höheren Bildung fernhielten, waren in den 1960er Jahren noch hoch.

Der Muff von 1000 Jahren

Ende der 1960er Jahre, ich war schon nicht mehr oder noch nicht wieder an der Universität, als sich Studierende zur außerparlamentarischen Opposition formierten. "Unter den Talaren - Muff von 1.000 Jahren" stand auf dem Transparent, das am 9. November 1967 zur Rektoratsübergabe von damaligen Hamburger Studenten in der Öffentlichkeit enthüllt wurde. Mit dem Slogan wollten sie die Hochschulen darauf stoßen, dass sie sich bislang vor der Aufarbeitung ihrer Rolle im NS-Faschismus gedrückt hatten. Sie wandten sich damit aber auch gegen die überholten elitären Strukturen und fragwürdige Traditionslinien der Universitätspolitik.3 Zur gleichen Zeit wurde allerdings auch deutlich, dass die alte Universität nicht mehr wirklich funktioniert.

Es war vor allem die "deutsche Bildungskatastrophe"4, die in den 1960er Jahren in der BRD dazu führte, dass die Erkenntnis wuchs, dass es an den Universitäten verstaubt und wirklichkeitsfremd zugeht. WissenschaftlerInnen gingen davon aus, dass zukünftig mit einem verhängnisvollen Lehrer- und Abiturientenmangel zu rechnen sei, der zu einem Zusammenbruch des Schulsystems, dem Niedergang der deutschen Wissenschaft und Wirtschaft und zu einer Erschütterung des politischen Systems führen müsse. In den 1950er Jahren studierten etwa 5% eines Altersjahrganges. Damit war die BRD nicht in der Lage, "einer ausreichenden Zahl junger Menschen das Abitur und den Zugang zu einem Studium zu ermöglichen, wie es für die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Wirtschaft unerlässlich war."5 Der Ruf nach einer Reform des Bildungswesens wurde immer lauter; bald auch unter den Studierenden. Ihnen ging es vor allem um eine Demokratisierung der Gesellschaft und um mehr Mitbestimmung für die Studierenden. Die Erklärung Studenten und die neue Universität zur Gründung und Ausgestaltung neuer Hochschulen, die 1962 von einer Kommission des Verbandes Deutscher Studentenschaften (VDS) abgegeben wurde, fand weitreichende Beachtung. In den folgenden Jahren gelang es den Studierenden in mehreren Bundesländern, erweiterte Mitbestimmungsrechte in den Hochschulgesetzen zu verankern. Der Kampf der zahlreicher werdenden Studierenden für die Demokratisierung und soziale Öffnung der Hochschulen ging weiter.

1970 wurde mit dem Strukturplan für das Bildungswesen ein umfassender Reformplan vorgelegt.6 Zur Verbesserung der sozialen Mobilität wurden der zweite und ›dritte‹ Bildungsweg ausgebaut. Nicht nur die Söhne und Töchter der Eliten sollten Zugang zu den Universitäten haben, sondern auch die Arbeiterkinder. Ein neues Hochschulrahmengesetz wurde 1976 verabschiedet, dessen Ziel es auch war, die Mitbestimmung aller an der Hochschule vertretenen Gruppen zu ermöglichen,7 also auch der MitarbeiterInnen in Technik und Verwaltung. Gleichstellungspolitik wurde allerdings erst nach den Bildungsreformbestrebungen der 1970er Jahre an den Hochschulen etabliert.

Erst bei der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) 1985 wurde durch den Druck der Frauenbewegungen Frauenförderung zu einem rechtsverbindlichen Bestandteil der Hochschulpolitik erhoben. In fast allen Bundesländern wurden 1987 Ämter für Frauenbeauftragte geschaffen. Zur Verbesserung der Vernetzung der Frauenbeauftragten wurde 1990 die Bundeskonferenz der Frauenbeauftragten an Hochschulen (BukoF) ins Leben gerufen. Die Rahmenbedingungen für eine wirksame Frauenförderpolitik waren schlecht. Oft wurden sie als bürokratische Vorgaben "von oben" oder gar als überflüssig abqualifiziert. Der einsetzende Rationalisierungsdruck verschlechterte ihre Gestaltungmöglichkeiten. Ohne gesetzliche Vorgaben (Frauenförderung, Quotierung) bleibt ihr Agieren oft wirkungslos. Für eine Frauenquote sprechen sich in der universitären Debatte dennoch nur wenige aus. Verbindliche Quoten hat bislang keine Universität. Klassenspezifische Aspekte, wie das Anliegen "mehr Arbeiterkinder ins Bildungssystem" scheinen keine Rolle mehr zu spielen.

In meinem Büchlein über die Frauenbewegungen Warum flog die Tomate habe ich aufgezeigt, wie sich die Frauenbewegungen seit Ende der 1970er Jahre institutionalisiert haben.8 Europäische Gemeinschaft und Bundesregierung begannen aktive Gleichstellungspolitik zu betreiben. Kommunale Frauenbüros, Frauen-, Gleichstellungs- oder (später) Genderbeauftragte wurden auch an den Hochschulen, Stiftungen und Forschungseinrichtungen etabliert. Frauenministerien auf Bund- und Länderebene und Gleichstellungsgesetze in Bund und Ländern folgten einige Jahre später.

Ist der "Muff von 1000 Jahren" immer noch zu spüren?

Gibt es immer noch einen einzigen wirklich anerkannten Beruf an der Universität: den Professor? Ich beziehe mich auf die Entwicklungen im Bereich des nichtwissenschaftlichen Personals an deutschen Hochschulen und dessen Anerkennung.

Studien sprechen weniger von einer Diskriminierung als von einer auch in anderen Ländern existierenden weitgehenden "Unsichtbarkeit" des nichtwissenschaftlichen Personals in der hochschulpolitischen Öffentlichkeit.9

Während die Auswirkungen der Hochschulreformen auf die Entwicklung und Arbeit des wissenschaftlichen Personals zum zentralen Gegenstand der international-vergleichenden Hochschulforschung gehören,10 sind Entwicklungen im Bereich der nichtwissenschaftlichen Mitarbeiter und des Verwaltungspersonals bislang deutlich untererforscht und die Datenlage für diese Gruppe denkbar schlecht. Dies, obwohl die veränderten Studienstrukturen nicht nur in Forschung und Lehre neue, vielfach gewachsene Anforderungen bringen, sondern auch für den Bereich der MitarbeiterInnen in Technik und Verwaltung. Wie in anderen Bereichen auch sollen sämtliche Tätigkeiten stärkeren ökonomischen Rationalitätskalkülen unterworfen werden. Zudem sollen Personalkosten gespart werden.

Wissenschaftliches und nichtwissenschaftliches Personal

Von den insgesamt 662.076 Personalstellen an den Hochschulen und Universitäten der BRD zählten im Jahre 2013 369.847 Stellen zum wissenschaftlichen und 292.229 zum nichtwissenschaftlichen Bereich. Sieht man sich die Zahlen von 2004 an, so waren zu dieser Zeit insgesamt 499.184 Stellen besetzt, davon waren 236.378 wissenschaftliche Stellen und 262.806 nichtwissenschaftlich Beschäftigte. Das nichtwissenschaftliche Personal war damals zahlenmäßig stärker als das wissenschaftliche. Das blieb bis 2007 so, erst seit 2008 ergibt sich eine zahlenmäßige Verschiebung hin zum wissenschaftlichen Personal.11 Insgesamt lässt sich feststellen, dass das Personal an den Hochschulen deutlich angestiegen ist, aber das wissenschaftliche eben deutlicher. Die Verschiebung des Verhältnisses betrifft vor allem die Universitäten. Durch die vielen Neugründungen von Fachhochschulen haben sich an diesem Hochschultyp beide Personalgruppen stark vergrößert, wenngleich auch hier der absolute wie relative Zuwachs von wissenschaftlichen Personalstellen überwiegt. Dennoch ergibt sich in Deutschland ein hochschultypenübergreifender Trend, bei dem insbesondere das wissenschaftliche Personal anwächst.12

Zunahme prekärer Beschäftigung

Die deutliche Expansion des wissenschaftlichen Personals ist vermutlich auf die Zunahme befristeter Beschäftigungsverhältnisse von wissenschaftlichen MitarbeiterInnen sowie auf Förderprogramme und unterschiedliche Drittmittelquellen zurückzuführen, die befristete und prekäre Beschäftigungsverhältnisse befördern. Man kann jedoch davon ausgehen, dass dort, wo das wissenschaftliche Personal expandiert, auch verstärkte Belastungen auf das reduzierte nichtwissenschaftliche Personal zukommen; was zunehmend Mehrarbeit bedeutet.

Die Zunahme prekärer Arbeitsbedingungen, befristeter Verträge etc. in den letzten Jahren betreffen die Gruppe der Beschäftigten in Technik und Verwaltung ebenso.

Die wachsende Zahl von Drittmittelprojekten zeigt, dass moderne Forschungsprozesse ohne die Mitwirkung aller Beschäftigtengruppen nicht mehr denkbar sind. Wissenschaftliche, technische und Verwaltungsabläufe sind bei deren Durchführung ineinander verworben und die Grenzen zwischen diesen Bereichen verschwimmen zunehmend. ExpertInnen verweisen darauf, dass die realen Beiträge der Verwaltungsbeschäftigten auf der Basis der formalen Arbeitsplatzbeschreibungen kaum erfassbar sind.

Immer noch steht die "Hochschulsekretärin" im Fokus, wenn es um die Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung geht. Nun, das wäre nicht so schlimm, wenn es sich nicht immer noch um untergeordnete Stellungen mit wenig Prestige innerhalb der hierarchisch organisierten Hochschule handeln würde. Warum ist das in einer modernen ökonomisierten Hochschule immer noch so? Ist es wirklich strukturell bedingt oder sind es gewollte Benachteiligungen oder Diskriminierungen?

Die Niedrigbewertung nicht nur der MitarbeiterInnen in Technik und Verwaltung, sondern auch von allen anderen Universitätsmitgliedern gegenüber Professoren spiegelt sich auch in den Gremien der akademischen Selbstverwaltung wider. In diesen Entscheidungsorganen der Universität sind die Professoren (weniger die Professorinnen) immer mit knapper absoluter Mehrheit vertreten. Die anderen Statusgruppen (Studierende, wissenschaftliche MitarbeiterInnen sowie MitarbeiterInnen im technischen und Verwaltungsdienst) teilen die restlichen Sitze gleichmäßig unter sich auf.

Gibt es vielleicht sogar neue sexistische und klassistische Diskriminierungen?

Kürzlich schrieb mir eine Gleichstellungsbeauftragte, die selbst Mitarbeiterin im Bereich Technik und Verwaltung ist: "Viele Mitarbeiterinnen in den Hochschulen, besonders die Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung, vermissen mehr und mehr soziale Gerechtigkeit, Chancengleichheit für diese ›vergessene Gruppe‹ und fühlen sich nicht wertgeschätzt und anerkannt." Ich denke mal, vergessen sind sie nicht, sie werden ja gebraucht. Vor allem sähen auch die Studierenden "alt" aus, wenn es sie nicht gäbe. Und schließlich finden auch junge Menschen, besonders Frauen, die kein Hochschulstudium absolviert haben oder/und dies auch gar nicht anstreben, an der Universität eine abwechslungsreiche Arbeitsstätte. Auch wenn bei den MitarbeiterInnen im technischen und Verwaltungsdienst zahlenmäßig genau so viele Männer wie Frauen zu finden sind, werden die "typischen Frauentätigkeiten" immer noch durch Frauen erledigt, obwohl längst bewiesen ist, dass Männer das auch könnten, ebenso wie längst bewiesen ist, dass Frauen in gewerblich-technischen Berufen genauso gut arbeiten können wie Männer. Das wäre ja noch nicht einmal schlimm, wenn die Frauen, die die "Zuarbeiten" für die Professoren verrichten, nicht teilweise noch so behandelt würden, wie das in den 1960er Jahren der Fall war. Sexuelle Belästigung, Sexismus und Homophobie sind immer noch Alltagsprobleme. Über 55% der europäischen Studentinnen gaben laut einer Untersuchung der Ruhr-Universität Bochum an, dass sie in der Zeit ihres Studiums sexuelle Grenzüberschreitungen erlebt haben.13 Die Verwaltungsangestellten und Sekretärinnen sind nicht gefragt worden. Sicher ging und geht es ihnen auch nicht besser. Um das zu verändern, müssten alle Hochschulbeschäftigten an einem Strang ziehen.

Anerkennung für die Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung ist die eine Seite, angemessene Bezahlung ist die andere. Mitarbeiterbefragungen zeigen, dass die Mehrzahl der "nicht-wissenschaftlichen" Beschäftigten hohe Erwartungen an berufliche Entwicklungsperspektiven, aber auch an die Leistungsangemessenheit der Bezahlung richtet, die real gebotenen Aufstiegsmöglichkeiten und die Bezahlung jedoch als nicht angemessen betrachtet.14 Der Weg zur antisexistischen und antiklassistischen Hochschule ist lang und hindernisreich und ist weder im wissenschaftlichen, noch im nichtwissenschaftlichen Personal verwirklicht.

Heute sind die Universitäten zunehmend den Interessensverbänden von Wirtschaft und Großaktionären ausgeliefert. Unternehmerische Prinzipien bestimmen darüber, wie eine Hochschule gelenkt wird. Dadurch werden umfangreiche Konkurrenzmechanismen in Gang gesetzt, "die sich wesentlich von dem Wettbewerb um Anerkennung und Reputation unterscheiden", der schon immer in der Wissenschaft zu finden war. Das zeigen auch neuere Studien.15

Leider beschäftigen sich auch die in letzter Zeit erarbeiteten Papiere und Manifeste im Wesentlichen mit dem wissenschaftlichen Personal. Hierzu einige Beispiele: Der aus dem Templiner Manifest hervorgegangene Herrschinger Kodex der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Gute Arbeit in der Wissenschaft. Ein Leitfaden für Hochschulen und Forschungseinrichtungen befasst sich ausschließlich mit der prekären Arbeitssituation des wissenschaftlichen Personals.16 Eine Vertreterin der GEW meinte auf meine Frage, für das nichtwissenschaftliche Personal sei die Gewerkschaft verdi als Tarifpartnerin zuständig. Bei dieser Gelegenheit erfuhr ich auch, dass es in den Universitäten wieder Räume gibt, die "nur für Professoren" zugänglich sind.

Auch das Positionspapier der BuKof-Kommission Geschlechtergerechte Personalentwicklung an Hochschulen befasst sich mit Geschlechtergerechtigkeit auf dem wissenschaftlichen Karriereweg. Lediglich in der Fußnote 8 heißt es: "Für die in diesem Papier nicht näher beleuchteten Gruppen im Bereich der Verwaltung und Technik sind die Herausforderungen aufgrund der besseren Planbarkeit geringer; um jedoch dem Ziel einer organisationsübergreifenden Personalentwicklung gerecht zu werden und auch Wechsel zwischen unterschiedlichen Bereichen zu ermöglichen, müssen alle Beschäftigtengruppen in den Blick genommen werden."17 Dem kann man nur zustimmen. Aber warum werden denn nicht alle Beschäftigtengruppen in den Blick genommen?

Etwas weiter geht der Offene Brief an die Deutsche Gesellschaft für Soziologie Für gute Arbeit in der Wissenschaft, der von HochschullererInnen verschiedener Hochschulen unterzeichnet wurde.18 Auch er bezieht sich im Wesentlichen auf die Situation des wissenschaftlichen Personals. Dennoch enthält er den Satz: "Und auch die sogenannten Sonstigen Mitarbeiter/innen leiden unter den Anforderungen durch immer mehr Drittmittelverwaltung und Fluktuation der Beschäftigten". Oft sind sie allerdings - wie bereits gezeigt - auch selbst Beschäftigte mit prekären Arbeitsverträgen. Geschlechtergerechte und antidiskriminierende Personalentwicklung ist auch für diesen Bereich notwendig.

Was tun?

Gute Arbeit, angemessene Vergütung und Anerkennung für die Arbeit in allen Bereichen. Was können wir tun, um das Thema auf die hochschulpolitische Agenda zu setzen und wie können wir darauf dringen, das zu erreichen? Frau Schmidt-Lentzen vertrat mir gegenüber die Auffassung, dass die Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung durchaus individuell auch Gestaltungsspielraum hätten, auch für die Arbeit hin zu mehr Geschlechtergerechtigkeit, in vielen Bereichen.

Studien zeigen, dass die meisten nichtwissenschaftlichen MitarbeiterInnen die Einschätzung haben, sehr wohl eine sinnvolle Tätigkeit auszuüben und häufig Erfolgserlebnisse zu haben.19 Allerdings fühlen sich viele wegen des wachsenden Arbeitsanfalls auch oft qualitativ und quantitativ überfordert. Dafür wird u.a. der verstärkte Einsatz von neuen Technologien verantwortlich gemacht, aber auch die hohe Kontinuität tradierter Leitbilder im Verhältnis von ProfesorInnen und VerwaltungsmitarbeiterInnen. Das müsste endlich aufhören.

Auch die Studie über Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung der Universität Duisburg/Essen von 201220 zeigt, dass die Frauen ihre Aufgabe, Studierenden und WissenschaftlerInnen guten Service zu bieten, ernst nehmen und auch schwierige Aufgaben meistern. Sie sind ein wichtiger Teil der Universität und arbeiten hoch motiviert. Zu Recht wurden sie mit dieser Studie "ins Rampenlicht" gestellt.21 Manchmal ist in der Studie auch die Rede davon, dass "alle Sekretärinnen des Instituts an einem Strang ziehen".22 Das hätte ich mir auch gewünscht. Auch wäre ich froh darüber gewesen, wenn meiner Tätigkeit eine ähnliche Aufmerksamkeit gezeigt worden wäre, wie es bei den in der Studie Versammelten der Fall war. Diesen Frauen/Motivation/Beruf-Band in Händen zu halten, war auch für mich eine Freude, wir brauchen immer noch viel mehr Identifikationsfiguren. Mich hat es gewundert, dass die abgebildeten Frauen über keine Probleme mit den Hierarchien klagten. Sie sind selbstbewusster geworden und haben sich ihre eigenen Freiräume geschaffen.

Ich frage mich, ob die Beschäftigten in dem konkurrenzbeladenen Klima der "unternehmerischen Hochschule" Veränderungsprozesse als ihr eigenes Anliegen begreifen (können). Ohne die Bereitschaft aller Teile der Beschäftigten wird die Hochschule jedoch weder flexibler noch innovativer noch geschlechtergerechter werden.

Es wäre schön, wenn kollegiale Traditionen und "Solidarität" wieder mehr Einfluss gewännen. Ich hoffe, sie gehen niemals völlig in der "unternehmerischen Hochschule" auf. Dann könnten die Probleme der Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung auf die hochschulpolitische Agenda gesetzt werden und ein Ohr auch bei den immer noch so stolzen Professoren finden. Vielleicht gelänge es dann, die Trennung zwischen wissenschaftlichen und nichtwissenschaftlichen Beschäftigten aufzuheben.

Wie die Hochschule aussähe, "wenn der Schirm der männlichen Dominanz entfernt worden ist und Frauen und Männer in der Definition der Dinge in gleicher Weise beteiligt sind"23 muss unklar bleiben, solange die Geschlechterdemokratie an der Hochschule nicht verwirklicht ist. Wir wissen auch nicht, wie sie aussähe, wenn wissenschaftliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung in gleicher Weise beteiligt sind, solange der Klassismus an den Hochschulen weiterlebt.

Anmerkungen

1) Nach einem Referat anlässlich der Bundeskonferenz der Frauenbeauftragten und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen e.V.: Kultur wandelt Gleichstellung wandelt Kultur am 24.9.2014 in Münster (gekürzt).

2) Statistisches Bundesamt 2014: Bildung und Kultur, Personal an Hochschulen 2013, Fachserie 11, Reihe 4.4., Wiesbaden 17.9.2014.

3) Süddeutsche Zeitung vom 7. November 2007.

4) Georg Picht 1965: Die deutsche Bildungskatastrophe, München.

5) Helga Jung-Paarmann 2011: "Reformpädagogik in der Praxis - Geschichte des Bielefelder Oberstufen-Kollegs. Die Jahre von 1969 bis 1982", in: Jahresbericht des Historischen Vereins für die Grafschaft Ravensberg. Jahrgang 2011, Bielefeld: 155-192; hier: 155f.

6) Deutscher Bildungsrat 1970: Empfehlungen der Bildungskommission. Strukturplan für das Bildungswesen, Bad Godesberg.

7) Siehe hierzu auch: Gisela Notz 2012: "Arbeitermädchen durften plötzlich lernen. Die Bildungsreform der 1970er Jahre und wie es weiter ging", in: Forum Wissenschaft 3/2012.

8) Gisela Notz 2006: Warum flog die Tomate? Die autonomen Frauenbewegungen der Siebzigerjahre, Neu-Ulm: 55 ff.

9) Vgl. Vicki J. Rosser 2004: "A National Study of Midlevel-Leaders in Higher Education: The Unsung Professionals in the Academy", in: Higher Education 48/2004: 317-337.

10) Vgl. z.B. Ute Lanzendorf / Barbara Kehm 2007: "The Impacts of University Management on Academic Work", in: Management Revue 18 (2), 2007: 153-173.

11) Statistisches Bundesamt 2014: Bildung und Kultur, Personal an Hochschulen 2013, Fachserie 11, Reihe 4.4., Wiesbaden 17.9.2014: 20.

12) Albrecht Blümel u.a.: "Restrukturierung statt Expansion. Entwicklungen im Bereich des nichtwissenschaftlichen Personals an deutschen Hochschulen", in: die hochschule 2/2010: 154-171; hier: 161.

13) Ruhr-Universität Bochum 2012: Gender-Based Violence, stalking and fear of crime. EU-Projekt, Bochum.

14) Die Datenlage bei dieser Gruppe ist denkbar schlecht. Kaum einmal werden die Beschäftigungs- und Arbeitssituation der Beschäftigten in Technik und Verwaltung außerhalb von Mitarbeiterbefragungen einzelner Hochschulen erhoben. Siehe hierzu: Friedrich-Ebert-Stiftung (Hg.): Ulf Banscherus u.a. 2009: Memorandum des Arbeitskreises Dienstleistungen. Arbeitsplatz Hochschule. Zum Wandel von Arbeit und Beschäftigung in der "unternehmerischen Universität", Bonn: 27.

15) Ebenda: 24.

16) www.gew.de/Herrschinger_Kodex.html (Zugriff: 20.10.2014).

17) Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen e.V. o.J.: Positionspapier der BuKoF-Kommission Geschlechtergerechte Personalentwicklung an Hochschulen, Köln: 2.

18) Initiative Für gute Arbeit in der Wissenschaft: Offener Brief an die Deutsche Gesellschaft für Soziologie, Berlin 19.8. 2014.

19) Friedrich-Ebert-Stiftung, zum Wandel: 27.

20) Elke Währisch-Große / Carla Gottwein (Hg.) 2012: Frauen/Motivation/Beruf. Mitarbeiterinnen in Technik und Verwaltung der UDE. Universität Duisburg/Essen 2012.

21) Ebd.: 9.

22) Ebd.: 16.

23) Gerda Lerner, zit. nach Birgit Sauer 2001: "Geschlechtsblindheit der Politikwissenschaft", in Ayla Satilmis (Hg.): Feministischer Eigensinn, Hamburg.


Gisela Notz, Dr. phil., Sozialwissenschaftlerin, Historikerin und Autorin, lebt und arbeitet freiberuflich in Berlin, Redakteurin von Lunapark21, Herausgeberin des Kalenders Wegbereiterinnen, der seit 2003 jährlich erscheint. www.gisela-notz.de

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