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Klaus Holzkamp

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Arbeitsrecht gemeinnützig bekämpfen

22.05.2014: Immer mehr Unternehmen behindern Betriebsratsarbeit

  
 

Forum Wissenschaft 1/2014; Foto: Ralf Roletschek, Fahrradtechnik und Fotografie / commons.wikimedia.org

Die Meldungen über Behinderung von Betriebsräten nehmen zu. Eine Untersuchung der Böckler-Stiftung zeigt: Es sind längst keine Einzelfälle. Der ideologische Hintergrund dieser Strategie: ein neoliberaler Thinktank an der Münchener Universität, das Zentrum für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen (ZAAR). Analog zur Initiative neue soziale Marktwirtschaft (INSM) ist die ZAAR eine verdeckt arbeitgeberfinanzierte Einrichtung, deren Geschäftsgebahren Marcus Schwarzbach im folgenden Beitrag vorstellt.

Burger King oder Discounter im Einzelhandel machen mit Aktionen gegen Arbeitnehmervertretungen von sich reden. In den letzten Jahren häufen sich die Fälle, in denen Betriebsräte von Unternehmern systematisch unter Druck gesetzt werden. "Hilfestellung bei dieser Form von Betriebsräte-Mobbing geben oft Rechtsanwälte, die sich für derartige Schmutzarbeit im Internet anbieten und mit speziellen Seminaren für Unternehmer und Manager werben", betont Reinhard-Ulrich Vorbau vom DGB Rechtsschutz.1.Ziel ist, Betriebsratsmitglieder zu kündigen oder zur Niederlegung ihres Amtes zu zwingen.

Untersuchung des WSI-Instituts

Immer wieder versuchen Unternehmer, die Gründung oder die Arbeit von Betriebsräten zu verhindern. Dies zeigt eine Untersuchung des WSI-Instituts der Hans-Böckler-Stiftung. Besonders häufig sind Versuche, Kandidaten zur Betriebsratswahl einzuschüchtern. In knapp 12 Prozent der Fälle versuchte das Management, Kandidaten ›herauszukaufen‹. In 130 örtlichen Bezirken wurden Gewerkschaftssekretäre von IG Metall, IG BCE und NGG befragt.2 Gut ein Drittel der Gewerkschafter kennt Betriebe, in denen bereits existierende Betriebsräte vom Management behindert würden.3 So können Detektiv-Büros mit der Verfolgung und psychischen Destabilisierung von Betriebsräten beauftragt und gegenüber der Belegschaft massiv Stimmung gegen den Betriebsrat gemacht werden.

"Es sind also längst nicht mehr wenige Einzelfälle, Tendenz steigend. Fragwürdige Angebote von Juristen, für einen betriebsrats- und gewerkschaftsfreien Betrieb zu sorgen, sind nur die Spitze des Eisbergs", betont DGB-Vorstand Dietmar Hexel.4 Der DGB fordert von der neuen Bundesregierung die Einrichtung entsprechender Schwerpunktstaatsanwaltschaften und "Weisungen an die Staatsanwaltschaften, um dem Recht in solchen Fällen zum Durchbruch zu verhelfen". Dieser Schritt könnte ein wunderbares Signal sein.

Ein erstes Merkmal des unzulässigen Vorgehens ist die Aufforderung des Unternehmens an den Betriebsrat, sich von der Gewerkschaft distanzieren. Dann folgen Maßnahmen gegen einzelne Betriebsratsmitglieder. Durch Gehaltskürzungen oder Kündigungsdrohung soll systematisch das Selbstwertgefühl der Interessenvertreter beschädigt werden. "Dass die Anschuldigungen rechtlich haltlos sind, ist nicht entscheidend", erläutert DGB-Vorstand Hexel, "sondern der Umstand, dass die Betroffenen infolge des zermürbenden Mobbings so erschöpft sind, dass sie irgendwann aufgeben und der Arbeitgeber sein Ziel erreicht hat." Neben Ketten-Abmahnungen werden die Drohszenarien ausgeweitet mit Strafanzeigen bis hin zu Schadensersatzklagen. Die Strategie sei "allerdings nicht, juristisch zu glänzen", erläutert Guido Zeitler von der Gewerkschaft NGG die Situation der Burger King-Betriebsräte. Der eine oder andere Jurist schüttele den Kopf über das Vorgehen. "Aber darum geht es nicht - ein Verfahren reiht sich an das andere, und sie sind langwierig; es werden kurzfristig Termine verschoben, das kann sich über Jahre hinziehen. So wird in den Betrieben Druck auf das Personal ausgeübt."5

Neoliberaler Thinktank an Münchener Universität

Der ideologische Hintergrund dieser Strategie, Rechte Beschäftigter zu ignorieren, wird selten beleuchtet. Eine besondere Bedeutung hat das Zentrum für Arbeitsrecht und Arbeitsbeziehungen (ZAAR) an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Wissenschaftlichkeit spielt keine Rolle. Rechtsfragen sind Machtfragen - was jeder Betriebsrat bei Konflikten früh erkennt, hat diese Einrichtung zur Hauptaufgabe gemacht. Offiziell geht es dem ZAAR darum, "Wissenschaft und Forschung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts" zu fördern. 2011 wurde das ZAAR der Fachöffentlichkeit mit der Konferenz "Freie Industriedienstleistungen als Alternative zur regulierten Zeitarbeit" bekannt. Das Institut präsentierte ein neues Geschäftsmodell: Werkverträge statt Leiharbeit. ZAAR-Direktor Volker Rieble sprach von der "Last der Stammarbeitsverhältnisse". Auf der Tagung wurden dann die entsprechenden Anleitungen zum Missbrauch von Werkverträgen geliefert. Ein Teilnehmer kommentierte: "Das Ganze war eine Anleitung zum Lohndumping mit neuen Mitteln".6 Im Mittelpunkt der Tagung standen konkrete Hinweise, wie die Neuregelungen zur Leiharbeit umgangen werden können. Seitdem steigt sichtlich die Zahl der Werkverträge. So sollten zunehmende Regelungen in Tarifverträgen und Vorgaben zum Equal pay-Prinzip "gleicher Lohn für gleiche Arbeit" für Leiharbeitnehmer unterlaufen werden. Vertreter des Kapitals etwa von Metro, BASF und Siemens, Leiharbeitsunternehmen wie Randstad und Manpower und die KPMG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft ließen sich durch das ZAAR konkrete Hinweise geben, wie statt mit Leiharbeit durch Werkverträge Gewinne gesteigert werden. Der klare Auftrag setzt heute Trends bei Hungerlöhnen. Detlef Wetzel, heutiger IG Metall-Vorsitzender kritisiert die Senkung von Löhnen "zunehmend durch Ausgliederungen von Aufgaben auch mit der Fremdvergabe in Form von Werkverträgen". Er fordert gesetzliche Neuregelungen, da "die bisherigen Definitionen von Branchen sowie der betriebsverfassungsrechtliche Betriebsbegriff nicht mehr die Realität abbilden"7.

Wichtig sind die politischen Hintergründe des Instituts: Der Verband der Metall- und Elektroindustrie Baden-Württemberg, der Verband der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie und der Bundesarbeitgeberverband Chemie gründeten die Stiftung für Arbeitsbeziehungen und Arbeitsrecht (StAR). Sie zahlten 55 Millionen Euro als Stammkapital ein. Das Land Bayern bescheinigt steuerrechtlich der Stiftung - trotz klar einseitiger Orientierung auf das Unternehmenswohl - die Gemeinnützigkeit. Die StAR finanziert und steuert seit 2004 das ZAAR. Dieses Institut ist, obgleich privat finanziert, rechtlich und nach außen hin ein Institut der Universität München. Die taz bezeichnet ZAAR deshalb als "eine Art verlängerte Rechtsabteilung der Arbeitgeber mit dem Siegel einer staatlichen Universität".8

Im Stiftungsrat sind ausschließlich Hauptgeschäftsführer von Arbeitgeberverbänden vertreten. Analog zur Initiative neue soziale Marktwirtschaft (INSM) ist das ZAAR eine verdeckt arbeitgeberfinanzierte Einrichtung. Insidern fallen personelle Überschneidungen zwischen INSM und dem Stiftungskuratorium auf. Randolf Rodenstock, Chef der Rodenstock-Unternehmensgruppe, war maßgeblich an der Gründung des ZAAR beteiligt. Er ist auch Kurator der INSM. Geschäftsführender Direktor des ZAAR ist Volker Rieble. Offiziell von der Universität München zum Professor ernannt, wird er von der StAR-Stiftung bezahlt. Rieble zählt zum Kreis der Wissenschaftler, die scheinbar unabhängig im Dienst der Forschung auftreten, sich aber tatsächlich von Unternehmern finanzieren lassen.

Beschäftigte als "notorische Lügnerin"

Der ZAAR-Chef wettert gegen Schutzbestimmungen für abhängig Beschäftigte. Rieble ist der Meinung, dass Beschäftigte von den Arbeitsgerichten zu gut behandelt werden. Die Kaisers-Kassiererin "Emmely" aus Berlin bezeichnet er als "notorische Lügnerin". Er ignoriert dabei die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, die ihre Bagatellkündigung als unverhältnismäßig zurückwies. Rieble kritisiert "Pöbelnde Arbeitsrichter"9, bezeichnet unter dem Motto "Mehr Spaß ohne Tarif"10 Tarifverträge als Krankheit. Rechte von Betriebsräten hätten zu einer "Übermacht des Kollektivs"11 in den Betrieben geführt. Nicht das eigentliche Ziel, die Steigerung der Profite durch Ausschaltung von Beschäftigtenvertretern, wird öffentlich dargestellt, sondern die Opferrolle aus Unternehmenssicht ist Schwerpunkt dieser Strategie. Rieble betont, er berate "Unternehmen, die wissen wollen, wie man der Mitbestimmung auf rechtlich einwandfreiem Weg entkommt".12 Gewerkschafter, die verfassungsrechtlich geschützte Zutrittsrechte zu Betrieben gerichtlich durchsetzen müssen, erleben dieses ideologische Vordenken in der Praxis.

Rechtsschutz vor dem Betriebsrat in der Praxis

Von daher ist es konsequent, 2010 eine ZAAR-Vortragsreihe mit dem Thema "Rechtsschutz vor dem Betriebsrat" zu gestalten. Ausführlich werden Maßnahmen zur Amtsenthebung von Betriebsräten dargestellt. Auch das Vorgehen gegen einzelne nach § 103 Betriebsverfassungsgesetz macht die Zielrichtung deutlich. Manche Anwaltskanzlei orientiert sich heute an einseitigen Rechtsauffassungen. Betriebsräte, die aufgrund ihrer Amtsausübung unter Druck gesetzt werden, wissen, wie eine konkrete Umsetzung dieser Denkweise aussehen kann.

Der Weg von einer gemeinnützigen Stiftung, die "die Wissenschaft und Forschung sowie die Bildung auf dem Gebiet des Arbeitsrechts [fördert]"13, hin zu einer ausschließlich Arbeitgeberinteressen verpflichteten Institution kann offenbar manchmal sehr kurz sein.

Anmerkungen

1) Pressemitteilung DGB Rechtsschutz GmbH vom 01.10.2011 "Fälle von Betriebsräte-Mobbing nehmen zu".

2) Siehe "Repressalien gegen Betriebsräte: nicht nur Einzelfälle", WSI-Befragung, Pressemitteilung vom 21.06.2012 www.boeckler.de.

3) Siehe auch "Wie man Betriebsräte abblitzen lässt", Magazin Mitbestimmung Ausgabe 06/2012.

4) Siehe einblick 18/2013 vom 14.10.2013.

5) "So wird Druck auf das Personal ausgeübt" junge Welt vom 23.10.2013.

6) Siehe DIE ZEIT vom 08.12.2011: "Es geht noch billiger".

7) Siehe "Missbrauch von Werkverträgen eindämmen!" unter www.gegenblende.de vom 19.04.2013.

8) taz vom 2.07.2011.

9) FAZ vom 28.11.2010.

10) FAZ vom 06.04.2010.

11) FAZ vom 07.08.2009.

12) Magazin "Impulse", Ausgabe 02/2012, im Internet unter:www.impulse.de/recht-steuern/der-arbeitgeber-ist-dem-richter-ausgeliefert.

13) Satzung des ZAAR.


Marcus Schwarzbach arbeitet als Berater für Betriebsräte und lebt in Kassel.

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