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Klaus Holzkamp

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Mehr Gleichstellung durch mehr Wettbewerb?

31.12.2011: Effekte neuer Hochschulsteuerungsmodelle

  
 

Forum Wissenschaft 4/2011; Foto: owik2 / photocase.com

Gleichstellungspolitik wird zunehmend durch finanzielle Anreize in wettbewerblichen Verfahren und der leistungsorientierten Mittelvergabe gesteuert. Sahra Damus wirft einen kritischen Blick auf die Entwicklung, die Gleichstellung von einem an sich selbstverständlichen Mindeststandard zu einer (optionalen) Leistung umdefiniert.

Vom Grundrecht zur Zielvereinbarung - Gleichstellung wird belohnt

Seit Ende der 1990er Jahre sind an deutschen Hochschulen die ›neuen Steuerungsinstrumente‹ eingeführt worden. Im Kern zielen diese darauf ab, erwünschte Entwicklungen an den Hochschulen nicht durch eine Detailsteuerung von Abläufen und Prozessen, sondern durch Zielformulierungen verknüpft mit Anreiz- und ggf. Sanktionsmechanismen zu erreichen. Beispiele dafür sind pakt- oder vertragsartige Festlegungen wie Zielvereinbarungen, Hochschulverträge oder leistungsorientierte Mittelverteilung zwischen Land und Hochschulen, aber auch hochschulintern. Auch bundesweit sind Steuerungstendenzen anhand wettbewerblicher Indikatoren zu beobachten, meist durch leistungsorientierte Sonderprogramme wie die Exzellenzinitiative oder die wettbewerbliche Mittelverteilung in der Forschungsförderung über die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG).

In diesem Prozess des Wandels von einer Inputsteuerung zu einer Outputsteuerung wurden häufig Gleichstellungsaspekte in die Hochschulentwicklungsplanungen integriert. Entweder als Zielstellungen oder als Erfolgsindikatoren für die Zuweisung von Mitteln. So enthalten etwa die meisten Vereinbarungen zwischen Land und Hochschulen das strategische Ziel der Gleichstellung. Konkreter wird es, wenn etwa für Gleichstellungserfolge wie die Berufung einer Frau auf eine Professur vom Land eine Art Kopfprämie an die Hochschule gezahlt wird. Auch aus Bundesmitteln wurden über das Professorinnenprogramm des Bundes und der Länder gezielt weibliche Besetzungen von Professuren kofinanziert und die DFG hat die Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards initiiert, auch mit der Aussicht, dass ein fehlendes Engagement der Mitgliedshochschulen im Bereich der Gleichstellung zu einer schlechteren Bewertung von Drittmittelanträgen führen könne. Auch die Chancen, bei der Exzellenzinitiative berücksichtigt zu werden, sind ohne umfangreiche Gleichstellungsmaßnahmen sehr gering. Hier zeigen sich also Sanktionierungsmöglichkeiten durch Nichtberücksichtigung bei der Mittelvergabe bei fehlendem gleichstellungspolitischem Engagement. Umgekehrt ist Gleichstellung aber auch zu einer möglichen Einnahmequelle geworden.

Diese Entwicklungen wurden seit ihrer Einführung als Chance gesehen, dem eingestaubten Grundrecht auf Gleichstellung, das auch in der Hochschulgesetzgebung enthalten ist, zu einer neuen Durchsetzbarkeit zu verhelfen1, indem Gleichstellungspolitik Teil der Struktur- und Entwicklungsplanungen der Hochschulen werden sollte. Gleichzeitig ist die wettbewerbliche Hochschulfinanzierung und unternehmerische Leitung von Hochschulen in der Kritik, neue Ungleichheiten zu schaffen oder bestehende zu verstärken. Im Folgenden sollen daher Auswirkungen von Hochschulsteuerungsansätzen für die Gleichstellungspolitik betrachtet werden.

Gleichstellungserfolge messbar machen?

Aus einer Übersicht2 zu vertragsförmigen Vereinbarungen in allen Bundesländern des Instituts für Hochschulforschung Wittenberg wird deutlich, dass Chancengleichheit von Frauen und Männern in allen Vereinbarungen zumindest erwähnt und somit als Ziel definiert wird. Teils werden auch eigene Abschnitte dafür reserviert oder spezifische Ziele formuliert. König kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Bedeutung dieses Handlungsfeldes seit 2004 eher wieder abnimmt.3 Dabei werden verschiedene Teilziele formuliert, häufig wird die Verankerung von Gender Mainstreaming bzw. Gleichstellung in der Strategie der Hochschulen erwähnt. Weitere gängige Ziele sind die Erhöhung des Frauenanteils in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, die gleichberechtigte Beteiligung an Entscheidungsprozessen, Integration von Gleichstellungsaspekten beim Studieneinstieg, während des Studiums und auch beim Berufseinstieg sowie die Förderung der Frauen- und Geschlechterforschung. Als Leistungsindikatoren zur Mittelverteilung werden häufig4 der (Junior-)Professorinnenanteil bzw. der Anteil neuberufener Professorinnen herangezogen, ebenso der Absolventinnen- oder Doktorandinnenanteil bzw. die abgeschlossenen Promotionen von Frauen. Ferner wird auch der Anteil von Studienanfängerinnen oder wissenschaftlichen Mitarbeiterinnen sowie das Umsetzen allgemeiner Gleichstellungsmaßnahmen honoriert. Je nach Bundesland variieren die herangezogenen Indikatoren zur Messung des Gleichstellungserfolgs und deren Kombination.

Schnell fällt jedoch auf, dass die verwendeten Indikatoren überwiegend quantitativ ausgerichtet sind und häufig auf den Frauenanteil unter dem (wissenschaftlichen) Personal bzw. unter den Studierenden reduziert werden. Dieser vermeintlich eindeutigen ›Abrechenbarkeit‹ von Gleichstellungserfolgen stehen abstraktere Gleichstellungsziele gegenüber. Viele Maßnahmen haben keine direkt messbaren Ergebnisse wie etwa Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen, die Stärkung von Genderkompetenz oder das Integrieren von Frauen- und Geschlechterforschung in Studieninhalte und Forschungsprojekte. Befördert und finanziell belohnt wird damit also ein quantitativ orientiertes Verständnis von Gleichstellungsarbeit. Noch dazu werden Gleichstellungserfolge anhand sehr weniger Indikatoren gemessen, da im Zuge der Einführung bewusst ein kleines Bündel von Indikatoren und somit eine politische Prioritätensetzung empfohlen worden war. Bei einer Vielzahl von Indikatoren, so wurde argumentiert, würde der Anreiz zu diffus und damit nicht mehr wirksam.5 Andererseits werden teils bewusst schwammige Zielformulierungen gewählt, um sich nicht festlegen und verpflichten zu müssen. Ob aber entweder die Reduzierung von Gleichstellungserfolgen auf eine geringe Zahl quantitativer Faktoren oder programmatischer Aussagen zu einer anderen Qualität, zu Genderkompetenz und zu Problembewusstsein in der Institution Hochschule führt, bleibt dahingestellt. In vergleichbarer Weise wird auch der problematische Anspruch der Quantifizierung von ›Leistungen‹ oder ›Produkten‹ der Hochschule diskutiert, sei es in Lehre oder Forschung.

Lohnt sich Gleichstellung für die Hochschulen?

Ist nun aber diese Anreizstruktur zumindest wirksam? Werden die formulierten Ziele erreicht? Auf der Ebene innerhochschulischer leistungsbezogener Mittelvergabe für Gleichstellung findet sich noch keine breite Analyse. Die bisher einzige Evaluation von Zielvereinbarungen zwischen Land und Hochschulen liegt für Sachsen-Anhalt6 vor und dämpft die Erwartungen an die neuen Instrumente. In der Analyse der Vereinbarungen und der Evaluation ihrer Umsetzung zeigte sich, dass die Ziele teils sehr abstrakt und programmatisch formuliert waren. Eine Umsetzung erfolgte jedoch am ehesten dort, wo konkrete Ziele festgehalten wurden. Die Hochschulen finanzierten Gleichstellungsmaßnahmen häufiger aus Sonderprogrammen oder Projektmitteln als aus regulären Haushaltsmitteln.7 Einige Hochschulleitungen gaben an, dass Gleichstellung ein nebenrangiges Thema gegenüber anderen Entwicklungen sei (Studienreform, Sparmaßnahmen), allerdings auch von Seiten des ›Vertragspartners‹, also des Ministeriums, eine Umsetzung nicht angemahnt worden sei. In der folgenden Zielvereinbarungsperiode wurden die Hochschulen ebenfalls befragt, ob Schlüsse aus der vorangegangenen Periode gezogen worden seien. Dabei zeigten sich wenig Ansätze zur Intensivierung der Maßnahmen, bedingt vor allem durch fehlende Ressourcen (Geld, Personal, Zeit, Kompetenz).8 Die Autorinnen der Studie kommen zu dem Schluss, dass Gleichstellung als Querschnittsaufgabe nicht in den Hochschulen angekommen sei und konstatieren, dass Gender-Mainstreaming eigentlich kaum stattfinde, obwohl diese Gleichstellungsstrategie von allen befragten Hochschulleitungen ausdrücklich begrüßt wurde.

Obwohl als Vorteil oft genannt wird, dass Anreizstrukturen eine positive Motivation darstellten, indem Erfolge belohnt statt bürokratischer Druck ausgeübt würden, bleibt zu befürchten, dass Gleichstellungsmaßnahmen vor allem dann umgesetzt werden, wenn zusätzliche Mittel dafür akquirierbar sind. Ein Übergang in die regulären Hochschulbudgets, im Sinne der Erfüllung einer Daueraufgabe der Hochschulen, ist jedoch fraglich. Durch diese projekthafte Finanzierung und Umsetzung sowie durch die mangelnde langfristige Planungssicherheit bei Zielvereinbarungsmitteln ist die Nachhaltigkeit begonnener Maßnahmen gefährdet und es darf bezweifelt werden, dass der Effekt bestehen bliebe, wenn der finanzielle Anreiz wegfiele. Ist eine Anreizstruktur ein geeignetes Verfahren, um einen grundsätzlichen Kulturwandel in den Hochschulen zu erreichen, sodass diese Gleichstellungsarbeit nicht mehr als extern verordnete Aufgabe verstehen, sondern zu ihrer eigenen Priorität machen? Eine Finanzierung nach Erfolg setzt eben auch voraus, Erfolg haben zu können. Für Hochschulen mit einer schwierigen Gleichstellungssituation und einer geringen Institutionalisierung und Finanzierung von Gleichstellungsarbeit scheinen die Erfolgsaussichten wohl eher gering, und damit läuft auch ein Anreiz, sich stärker zu engagieren, teils ins Leere. Sanktionen bei Nichterreichung von Zielen bleiben bisher weitgehend aus. Sicher kann auch der Fakt, dass Hochschulen durch ungenügendes Gleichstellungsengagement zusätzliche Mittel verwehrt bleiben, als indirekte Sanktion verstanden werden. Hier scheint allerdings oftmals ein Abwägen stattzufinden zwischen den Kosten, die Gleichstellungsarbeit verursacht und Finanzquellen, die sich bei erfolgreicher Gleichstellungsarbeit erschließen lassen. Am Ende kann dabei durchaus ein Nullsummenspiel für die Hochschulen herauskommen, in welchem sich Gleichstellungsengagement finanziell nicht lohnt.

Von der Querschnittsaufgabe zur profilbildenden Leistung

Nun sind Situationsanalysen und Zielsetzungen im Bereich Gleichstellung durchaus als ein Fortschritt zu betrachten und sinnvoll für eine langfristige Planung, Evaluierung und Weiterentwicklung. Ein grundlegenderes Problem im Verständnis von Gleichstellung ergibt sich aber nicht nur aus den beschriebenen Anreizstrukturen, sondern aus der dahinter stehenden Idee einer Differenzierung der Hochschullandschaft, in der sich Hochschulen im Wettbewerb um die besten Köpfe und die verfügbaren - knappen - Mittel befinden und sich daher profilieren müssen. Dabei ist leider auch zu beobachten, dass Gleichstellung gern als eine profilbildende Maßnahme missverstanden wird, die im Gegensatz zu einer auf alle Bereiche anzuwendenden Querschnitts- und Grundaufgabe der gesamten Hochschule steht. Die Umdeutung als besondere Leistung neben anderen Zielen und nicht als Mindeststandard führt zu einem Verständnis von Optionalität und Weglassbarkeit. Gleichstellung wird somit zu einer Frage spezifischer Prioritätensetzung. Ein wettbewerbliches Anreizsystem fördert die Konzentration auf vermeintliche Kernaufgaben, aus deren Bereich Gleichstellung gleichermaßen ausgegliedert wird. Damit Hochschulen sich überhaupt differenzieren und profilieren konnten, wurden sie in die "Hochschulautonomie" entlassen. Sie erhielten mehr Entscheidungsspielräume in Bezug auf interne Strukturen und Mittelverteilung. Es fand also eine Dezentralisierung von Entscheidungsprozessen statt, in welche die Länder fortan weniger eingriffen. Dies begründete auch die Hoffnung, eine Dezentralisierung nehme die Hochschulen mehr in die Verantwortung, selbst etwas für Gleichstellung zu tun und sich derer nicht mit Verweis auf höhere Entscheidungsebenen entziehen zu können. Allerdings sind die Hochschulen damit auch aus der direkten Einflusssphäre des Landes herausgerückt und es bleibt fraglich, ob die Einhaltung gesetzlicher Anforderungen gewährleistet bleibt (etwa Regelungen zur Einladung von Bewerberinnen, zur Besetzung von Gremien, zur Freistellung und Ausstattung von Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten). Stattdessen ist zu beobachten, dass Gleichstellungskonzepte, die in Form freiwilliger Selbstverpflichtungen formuliert werden, dazu führen sollen, Grundaufgaben zu erfüllen. Diese bieten aber eben auch die Option, sie nicht erfüllen zu müssen und andere Prioritäten zu setzen (etwa Internationalisierung, Familienfreundlichkeit, Nachhaltigkeit) oder aufgrund knapper Ressourcen setzen zu müssen. Bei dezentralisierten Entscheidungsprozessen ist es schwieriger, Querschnittsaufgaben zu erfüllen, die vermeintlich nur zur Verbesserung des Allgemeinwohls beitragen, aber scheinbar nichts mit den alltäglichen Problemen der Hochschulen zu tun haben und keinen direkten Wettbewerbsvorteil bringen.

Selbst wenn Hochschulen sich entscheiden, Gleichstellung auf ihrer internen Agenda prioritär zu behandeln, birgt allein das Verständnis von Gleichstellung als ein Leistungsmerkmal bzw. Wettbewerbsvorteil die Gefahr, sich vom Gebot des allgemeinen Abbaus struktureller Unterrepräsentation und Diskriminierung hin zu einem Konzept besserer Ressourcenausnutzung zu entwickeln. Dies zeigt sich auch treffend an den kontroversen Diskussionen um die Praxis des Diversitymanagements.

Rankings und andere Leistungsbewertungen wie das Gleichstellungsranking des Center of Excellence Women in Science (CEWS)9 oder die Ranggruppen im Rahmen der Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der DFG10 sollten daher nicht als ein Küren der Besten betrachtet werden, das weitere Mittelzuweisungen rechtfertigt, sondern als Offenlegen von Defiziten, um Hinweise zu erhalten, an welchen Hochschulen Handlungsbedarf besteht und wo Mindeststandards noch nicht erfüllt sind.

Gleichstellungsschub durch Steuerungsversuche auf Bundesebene?

Ungeachtet dieser Kritikpunkte an Anreizstrukturen und Leistungsorientierung in der Gleichstellungsarbeit bleibt die Frage, ob dies nicht pragmatisch die einzige Möglichkeit ist, tatsächliche Fortschritte zu erreichen und ob die Gleichstellungsarbeit ohne die Hochschulreform weit weniger durchsetzungsfähig geblieben wäre?11

Ähnlich wie bei Quoten lässt sich hier argumentieren, dass mittels durchaus streitbarer Instrumente eine kritische Masse von Frauen in entscheidende Positionen gebracht und somit struktureller Diskriminierung entgegengewirkt werden kann, Gleichstellung fortan aber ohnehin als Selbstläufer funktioniere. In diesem Zusammenhang kommt es zu pragmatischen Allianzen zwischen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten und Hochschulleitungen, um bei der Exzellenzinitiative oder bei den Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards der DFG erfolgreich zu sein, jedoch mit unterschiedlichen Motivationen: Von Seiten der Beauftragten, um endlich Mittel für die Gleichstellung zu bekommen und den externen Druck nutzen zu können. Von Seiten der Hochschulleitungen, um angesichts knapper Kassen nicht durch fehlendes Gleichstellungsengagement die Chancen auf Forschungsförderung oder subventionierte Stellen zu verspielen.

Sicherlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass die Exzellenzinitiative und die DFG-finanzierte Forschungsförderung für einen Gleichstellungsschub gesorgt haben, der an anderer Stelle bereits als "Kollateralnutzen" bezeichnet wurde.12 Auch wenn der Frauenanteil an dem im Rahmen der Exzellenzinitiative neu eingestellten Personal nur in etwa dem bisherigen Bundesdurchschnitt entspricht - und teils sogar darunter liegt,13 haben vor allem die internationalen GutachterInnen darauf gedrängt, dass Gleichstellungskonzepte vorgelegt und Mittel für Gleichstellungsmaßnahmen vorgesehen wurden. Gleichstellungskonzepte waren auch beim Professorinnenprogramm und den Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards die Grundvoraussetzungen für eine Teilnahme. Bei der DFG scheint sich abzuzeichnen, dass Gleichstellung in Zukunft ein Kriterium für Forschungsförderung sein wird, wenn auch nicht klar ist, mit welcher Gewichtung. Eine Reihe von Hochschulen kann durch die Mittel aus der Exzellenzinitiative derzeit eine besser finanzierte und konzipierte Gleichstellungsarbeit umsetzen als vorher; sie müssen dies aber auch, wenn sie im Programm verbleiben wollen.

Gleichstellung zweier Geschwindigkeiten

Anreize funktionieren also vor allem bei den Hochschulen, die den personellen und finanziellen Spielraum haben, Gleichstellungsmaßnahmen umzusetzen. Es besteht die Gefahr, dass insbesondere kleine, forschungsschwächere Hochschulen auch im Bereich der Gleichstellung abgehängt werden. Die Exzellenzinitiative und die Forschungsorientierten Gleichstellungsstandards haben ihre Dynamik vor allem bei großen Universitäten ausgelöst. Fachhochschulen waren von beiden Prozessen ausgeschlossen. In der DFG sind allerdings nicht nur Fachhochschulen von der Mitgliedschaft ausgeschlossen, sondern auch kleine, forschungsschwächere Universitäten erhalten häufig den Mitgliedsstatus nicht. Provokant könnte man also sagen, dass umfangreiche, gut ausgestattete Gleichstellungsprojekte vor allem an den ›exzellenten‹ Universitäten vorangetrieben werden. Und was ist mit dem Rest? Für kleine (Fach-)Hochschulen ist es in der Regel ohnehin schwieriger, Stellen für zentrale Aufgaben freizuhalten, da die Fixkosten im Vergleich zur Hochschulgröße anteilig wesentlich stärker ins Gewicht fallen als an Hochschulen mit größerem Personalpool. So zeigt eine Erhebung des CEWS im Rahmen des Projekts "Hochschulische Gleichstellungsstrukturen im Wandel" die unterschiedliche Ausstattung der Gleichstellungsarbeit auf: 94,2 Prozent der Hochschulen haben eine zentrale Gleichstellungsbeauftragte, während gerade noch 73,9 Prozent über stellvertretende Gleichstellungsbeauftragte verfügen. Weitere Stellen oder Positionen im Büro der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten finden sich nur noch an 54,6 Prozent der Hochschulen. Stellen außerhalb des Gleichstellungsbüros finden sich an etwa zwei Dritteln der Universitäten und pädagogischen Hochschulen, aber nur an etwas mehr als einem Drittel der Fachhochschulen.14 Auch wenn in den Ländern unterschiedliche Konstellationen aus Freistellung, Hauptamt und weiteren Positionen bestehen und der Handlungsbedarf von der Hochschulgröße und Fächerstruktur abhängt, deuten sich dennoch die unterschiedlichen Spielräume an. Bereits ›exzellente‹ Gleichstellungsarbeit im Sinne einer Stärkung der Stärken noch zusätzlich zu fördern scheint angesichts dieser Diskrepanzen weit weniger dringend, als ein Abbau von Defiziten an kleineren (Fach-)Hochschulen. Eine Gleichstellung zweier Geschwindigkeiten sollte vermieden und nicht noch forciert werden. Ferner bleibt angesichts einer in der CEWS-Erhebung beobachtbaren Tendenz, dass ein Großteil der zusätzlichen Stellen aus Mitteln der Exzellenzinitiative finanziert wird, unklar, was mit diesen Strukturen nach Auslaufen der Exzellenzinitiative geschehen wird. Die neuen Parallelstrukturen sind meist den Hochschulleitungen zugeordnet und zeichnen sich trotz besserer finanzieller und personeller Ausstattung eben auch dadurch aus, dass sie im Unterschied zu den gesetzlich vorgeschriebenen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten nicht weisungsfrei arbeiten können. Schoop und Junghans warnen hierbei davor, dass Gender "interpretations- und damit missbrauchsfähig" werde, denn "[t]atsächlich liegt die Definitionsmacht bei den zumeist männlich besetzten Präsidien und Rektoraten. Hier entscheiden ›Katzen über Mäuse‹; Männer definieren, was Gleichstellung ist und wie sie gelebt werden soll." Gleichzeitig arbeiten "(zumeist Frauen) [...] für die Universitätsleitung und vertreten deren Positionen - auch gegenüber der Gleichstellungsbeauftragten."15

Ausblick - Gleichstellungsarbeit jenseits kurzfristiger Belohnungen?

Die neuen Ansätze der Hochschulsteuerung haben ohne Zweifel Bewegung in die Gleichstellungsarbeit gebracht und sie nicht selten stark befördert. Dass Hochschulen sich Ziele stecken und Handlungspläne entsprechend ihrer spezifischen Situation aufstellen ist eine sinnvolle Entwicklung. Eine Begleitung durch Monitoring und Controlling schafft Transparenz und Verbindlichkeit. Jedoch sollten die Nebeneffekte (rein) quantitativer und an großen, finanz- und forschungsstarken Hochschulen orientierter Anreizmechanismen analysiert und zur Diskussion gestellt werden. Auf die Umsetzung der in den Hochschulgesetzen getroffenen Regelungen als Mindeststandards und darüber hinausgehende Maßnahmen sollte verstärkt nicht nur im Rahmen optionaler Selbstverpflichtungen, sondern auch durch den Gesetzgeber geachtet werden. Solange weiterhin eine strukturelle Unterrepräsentation von Frauen vorliegt, kann eine nachhaltige Förderung nicht (nur) mit kurzfristigen finanziellen Anreizen und Sonderprogrammen gelingen. Die Hochschulen müssen die Erfüllung des gesetzlichen Gleichstellungsauftrags über ein ausreichendes Budget sowie das notwendige Personal absichern, und zwar verstärkt aus Haushaltsmitteln, weniger über projekthafte Finanzierung. Die gesetzlich vorgesehenen Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten müssen in ihrer Arbeit besser unterstützt werden, sei es durch eine vermehrte Einführung hauptamtlicher Gleichstellungsbeauftragter oder durch eine umfassende Professionalisierung nebenamtlicher Gleichstellungsbeauftragter. Um den Nebenwirkungen einer lediglich quantitativ orientierten Erfolgsmessung im Gleichstellungsbereich vorzubeugen ist eine systematische Kompetenzentwicklung bei den Gremien und EntscheidungsträgerInnen notwendig. Da Leistungsindikatoren in wettbewerblichen Verfahren häufig bestehende Ungleichverteilungen beim Zugang zu Ressourcen, Positionen und Netzwerken reproduzieren, führen sie nicht automatisch zu einer diskriminierungsfreien Bewertung der Qualität wissenschaftlicher Arbeit. Es scheint, dass weniger die wettbewerblichen Verfahren an sich der Gleichstellung förderlich sind, indem sie informelle Netzwerke durch Wettbewerb ersetzen. Es ist vor allem die Transparenz und weitere Formalisierung von Entscheidungsprozessen und Bewertungsverfahren sowie die (Gender-)Kompetenz der beteiligten AkteurInnen, die Gleichstellung unterstützt. Gleichstellung darf nicht missverstanden werden als Profilierungsmerkmal, das je nach Belieben, mehr oder weniger priorisiert werden kann. Leistungsorientierte Hochschulsteuerungsansätze schaffen damit eben nicht nur Anreize, sondern auch Fehlanreize und werden dem Grundrechtscharakter des Gleichstellungsauftrages nicht gerecht. Bei dessen Umsetzung kann es nicht um eine Differenzierung der Hochschullandschaft in Hochschulen mit besseren und schlechteren Gleichstellungsstandards gehen, sondern um einen Abbau der größten Defizite. Es muss also Sorge dafür getragen werden, dass Gleichstellung überall gewährleistet und kontinuierlich verbessert wird.

Der Beitrag erschien zeitgleich im Studienheft Wissenschaft und Geschlecht, das die Geschichte des Frauenstudiums nachzeichnet, Herausforderungen feministischer Forschung debattiert und Perspektiven der Gleichstellungspolitik kritisch reflektiert. Es ist für 8,00 EUR im BdWi-Verlag erhältlich.

Anmerkungen

1) Vgl. etwa Färber, Christine, 2000: Frauenförderung an Hochschulen. Neue Steuerungsinstrumente zur Gleichstellung, Frankfurt / New York: 59f; Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, 1998: Hochschulreform durch Gleichstellungspolitik. GEW-Positionspapier.

2) König, Karsten / Anger, Yvonne / Hoffmann, Janine, 2010: Vertragsförmige Vereinbarungen in der externen Hochschulsteuerung. Bundesweite Übersicht. Institut für Hochschulforschung Wittenberg: www.hof.uni-halle.de/steuerung/vertrag2010.htm Zugriff am 23.9.2011.

3) König, Karsten, 2011: Gleichstellung und Hochschulsteuerung. Präsentation auf der Tagung der BuKoF-Kommission Steuerungsmodelle an Hochschulen. Wittenberg, 11.4.2011, unveröffentlicht.

4) König, Karsten / Kreckel, Reinhard, 2005: "Die vereinbarte Abdankung. Zur ungleichheitspolitischen Bedeutung von Zielvereinbarungen zwischen Landesregierungen und Hochschulen.", in: Institutionalisierte Ungleichheiten. Wie das Bildungswesen Chancen blockiert, Weinheim, 233-253.

5) Ziegele, Frank, 1998: "Leistung finanziell honorieren.", in: DUZ spezial. Hochschulen machen Reform. Innovationsprojekte aus deutschen Hochschulen: 32.

6) Kahlert, Heike / Burkhardt, Anke / Myrrhe, Ramona, 2008: Gender Mainstreaming im Rahmen der Zielvereinbarungen an den Hochschulen Sachsen-Anhalts: Zwischenbilanz und Perspektiven. Arbeitsbericht 2/08, Institut für Hochschulforschung Wittenberg.

7) Ebd. 31f.

8) Ebd. 42.

9) Vgl. www.gesis.org/cews/fileadmin/cews/www/download/cews-publik16.pdf Zugriff 23.9.2011.

10) Vgl.:www.dfg.de/foerderung/grundlagen_dfg_foerderung/chancengleichheit/forschungsorientierte_standards/berichte/index.html Zugriff am 23.9.2011.

11) siehe hierzu auch den Beitrag von Ursula Kneer.

12) Damus, Sahra, 2011: "Alte Sieger auf neuen Treppchen. Die zweite Phase der Exzellenzinitiative.", in: Bund Demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler / freier zusammenschluss von studentInnenschaften / Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft / NaturwissenschaftlerInnen-Initiative - Verantwortung für Frieden und Zukunftsfähigkeit / Österreichische HochschülerInnenschaft (Hg.): Wege und Irrwege in die Wissensgesellschaft. Forschungspolitik zwischen Standortsicherung und gesellschaftlicher Verantwortung. BdWi-Studienheft 7, Marburg.

13) Hornbostel, Stefan / Sondermann, Michael, 2008: Die Exzellenzinitiative. Beobachtungen aus der Implementierungsphase. iFQ-Working Paper No. 5, Bonn, Institut für Forschungsinformation und Qualitätssicherung: 73.

14) CEWS, 2011: Präsentation erster Ergebnisse des Forschungsprojekts "Hochschulische Gleichstellungsstrukturen im Wandel", vorgestellt auf der 23. Jahrestagung der Bundeskonferenz der Frauen- und Gleichstellungsbeauftragten an Hochschulen, Cottbus, September 2011. www.gesis.org/download/fileadmin/cews/www/HGIW-poster_web.pdf Zugriff am 23.9.2011.

15) Schoop, Monika / Junghans, Lea, 2010: "Gender ist (k)eine Auslegungssache. Die ›neuen‹ Aufgaben der universitären Gleichstellungsbeauftragten", in: Journal Netzwerk Frauen- und Geschlechterforschung NRW. Nr. 27/2010: 45-47.


Sahra Damus ist wissenschaftliche Mitarbeiterin und zentrale Gleichstellungsbeauftragte an der Europa-Universität Viadrina, Frankfurt (Oder); aktiv in GEW, fzs, BuKoF und BdWi.

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