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Klaus Holzkamp

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Pannen und Gefahren

15.11.2009: Gen-Medizin auf dem Acker (I)

  
 

Forum Wissenschaft 4/2009; Foto: Helmut Rühl

Wie die Pharma-Forschung versucht, durch "plant made pharmaceuticals", in gentechnisch veränderten Pflanzen Medikamente herzustellen, berichtet Albrecht Kieser. Biologische, technische und Umwelt-Hürden werden übersprungen - oder ignoriert. Der Beitrag wird in Forum Wissenschaft 1/2010 fortgesetzt.

Eine schöne neue Welt der Medizin steht uns bevor, wenn sich die Versprechungen erfüllen, die uns die GentechnikerInnen machen. Pflanzen werden die Arzneimittel der Zukunft produzieren, preiswert, treffsicher und in großer Vielfalt. In der Wissenschaftssprache heißt dieser Ansatz "plant made pharmaceuticals", kurz PMP. Genveränderte Kartoffeln, Möhren oder Tabakpflanzen sollen Krebs, Aids, bakterielle und zahlreiche andere Erkrankungen heilen.

Aber ganz so unproblematisch scheint es mit den modernen Arzneien in gentechnisch veränderten Pflanzen nicht zu laufen. Die Arbeiten ziehen sich hin, noch keines der schon vor vielen Jahren angekündigten Mittel ist auf dem Markt. Allerdings haben zwei Firmen angekündigt, sie würden die von ihnen entwickelten Medikamente noch 2009 in die klinische Prüfung bringen. Das wäre das erste Mal, dass ein Mittel in Deutschland dieses Stadium erreicht. Es handelt sich bei den Pharmazeutika um menschliche Antikörper gegen bestimmte Krebserkrankungen, die von genverändertem Tabak produziert werden, und um antibakterielle Wirkstoffe, die aus menschlicher Haut gewonnen wurden und von Kartoffeln ,hergestellt' werden.

Also eher handfestere und kleinräumige Arzneimittel, zumindest gemessen an den Versprechungen der Forschung. Denn dort hält man in öffentlichen Verlautbarungen an dem großen Ziel fest: Pflanzen so umzupolen, dass sie wie Impfstoffe verzehrt werden können. Dieter Peschen vom Fraunhofer-Institut in Aachen zeigt sich überzeugt, man könne "beispielsweise Kinderlähmung als Schluckimpfung über Bananen realisieren. Und dann könnte direkt auch diese Banane in Dritte-Welt-Ländern oder sonst wohin angeboten werden und der Bevölkerung direkt überreicht werden."

Dieter Peschen ist Mikrobiologe an einer der vier bedeutendsten Forschungseinrichtungen, die in Deutschland zu PMP arbeiten. Neben dem Fraunhofer-Institut in Aachen sind dies das Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie in Potsdam, das Institut für Agrobiotechnologie an der Universität Rostock und die Abteilung Molekulare Genetik im Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung (IPK) in Gatersleben. Die Forschungsansätze in den Einrichtungen ähneln einander und werden auch in einigen privaten Unternehmen wie Bayer (mit seiner Tochter Icon Genetics in Halle), Planton in Kiel oder - bis Anfang 2008 - Novoplant in Gatersleben angewendet: Es geht meist darum, menschliche (oder tierische) Antikörper und das für ihre Produktion zuständige Gen zu isolieren, das Gen in geeignete Pflanzen einzuschleusen und die Pflanzen schließlich zur Produktion dieser Antikörper anzuregen. Antikörper sind Eiweiße mit einer ganz bestimmten Oberflächenstruktur. Das Immunsystem von Säugetieren produziert sie als Antwort auf äußere Krankheitserreger oder körpereigene Erkrankungen wie Krebszellen. Die Antikörper setzen sich auf pathogene, d.h. krankhafte, Zellen und hindern sie an der Vermehrung oder werden zum Scharnier für körpereigene Fresszellen, die die Pathogene zerstören.

Antikörper-Suche

Wie nun kommt dieser Antikörper in die Pflanze, die ihn von sich aus nicht produzieren würde? Stefan Schillberg leitet die Abteilung Pflanzenbiotechnologie am Aachener Fraunhofer-Institut und erläutert das so: "Im Grunde genommen braucht man die Bauanleitung für diesen Antikörper, das Gen, die genetische Information. Es gibt unterschiedliche Methoden, wie man das machen kann. Man kann z.B. eine bestimmte Struktur, an die der Antikörper binden soll, in Tiere injizieren. Diese Tiere bilden dann Antikörper gegen diese Struktur, und nachdem die Antikörper gebildet wurden, isoliere ich die Milz aus den Tieren und isoliere aus den Milzzellen die genetische Information für diesen Antikörper." Die Antikörper, mit denen in den Aachener Labors gearbeitet wird, stammen von Mäusen. Den Tieren wurden menschliche Krebszellen injiziert. Sie reagierten darauf tatsächlich mit der Produktion der gewünschten Antikörper. Die Antikörper wurden aus der Milz der infizierten Mäuse isoliert und dann auf geeigneten Nährmedien vermehrt.

Im Potsdamer Max-Planck-Institut für molekulare Pflanzenphysiologie forscht Professor Ralph Bock mit seinem Team an Antikörpern gegen bakterielle Krankheitserreger, die gegen die herkömmlichen Antibiotika resistent geworden sind. Das Institut hat sich auf spezielle Proteine (Eiweiße) konzentriert, die als Lysine bezeichnet werden. Diese Proteine können bestimmte Bakterien zerstören, sie wirken antibakteriell: "Der Wirkstoff ist ein Eiweiß, ein Protein, das wir aus einem Phagen entnommen haben. Ein Phagen ist ein Virus, das Bakterienzellen befällt. Diese Viren vermehren sich innerhalb dieser Zellen und lösen am Ende ihres Lebenszyklus die Bakterienzelle einfach auf. Interessanterweise braucht man für diesen letzten Schritt, die Auflösung der Bakterienzelle, nur ein einziges Virusprotein. Und dieses Protein ist sehr aggressiv gegen Bakterien und Bakterienzellwände und kann diese Zellen einfach zerstören."

Nicht alle Institutionen oder Firmen, die PMP herstellen wollen, haben selbst die Antikörper gefunden, mit denen sie arbeiten. Manche übernehmen sie von anderen Forschungseinrichtungen. Das Unternehmen von Michael Kleine in Kiel arbeitet mit der dortigen Universitätsklinik zusammen, die bestimmte antibakterielle Peptide, eine andere Form von Eiweißen, entdeckt hat: "Man hat festgestellt, dass Menschen, die an Psoriasis leiden, also an einer Schuppenflechte, in den betroffenen Hautregionen keine Sekundärinfektionen aufweisen. Keine Infektionen mit Bakterien. Das ist erstaunlich, weil es ja eigentlich geschädigte Hautflächen sind. Dieser Sache ist man im Klinikum nachgegangen und hat festgestellt, dass sich auf den von Schuppenflechte befallenen Hautflächen bestimmte Stoffe bilden, die ein Abwehrschild gegen diese Bakterien bilden. Diese Moleküle, diese antimikrobiellen Peptide, hat man aus diesen Hautregionen isolieren können und festgestellt, dass sie die antibakterielle Wirkungen gegen die Bakterien erzeugen."

Die Suche nach medizinisch wirksamen Antikörpern ist langwierig und ein Grund dafür, dass die künstliche Herstellung von Antikörpern in Pflanzen trotz jahrelanger Bemühungen noch nicht von Erfolg gekrönt wurde, jedenfalls noch nicht von einer Einführung solcher Medikamente in den Arzneimittelmarkt. Zumal die Hersteller ja nicht nur diese, sondern noch weitere Hürden nehmen müssen, bevor ein solches Pharmaprodukt zugelassen wird und eingesetzt werden kann.

Nach der Entdeckung spezifischer Antikörper muss als nächstes das für seine Produktion zuständige Gen isoliert und in eine Pflanze eingeschleust werden. Dann muss in einem dritten Schritt sichergestellt werden, dass die Pflanze diese Antikörper auch in genügender Zahl und in hinreichender Wirksamkeit produziert. In einem vierten Schritt muss geprüft werden, ob der Antikörper selbst allergen ist oder ob er auf seinem von der Natur nicht vorgesehenen Weg durch die Pflanze allergische oder krankheitserregende Umformungen erfahren hat. Und schließlich ist zu klären, ob der Anbau der medizinisch wirksamen Pflanzen kein Risiko für die Umwelt ist und wie verhindert werden kann, dass die gentechnisch veränderten Pharmapflanzen in die Nahrungsmittelkette gelangen.

Genmanipulation mit Schrotflintenprinzip

Jeder Schritt auf die nächste Stufe im Herstellungsprozess von PMP ist mit besonderen Herausforderungen, Problemen und Gefahren verbunden. Das gefundene Säugetier-Gen in die Pflanze einzuschleusen, ist so eine Herausforderung. Immerhin muss dabei die natürliche Artenschranke überwunden werden. Ralph Bock erklärt eine der zwei üblichen Methoden: "Das Einbringen des Fremdgens passiert auf eine relativ rabiate Art und Weise, das Gen wird nämlich einfach in das Genom hineingeschossen. Das passiert mit einer sogenannten Partikelkanone und da wird tatsächlich die Erbinformation auf die Oberfläche von kleinen Goldkügelchen geladen, und dann wird sie mit den Kügelchen durch hohen Gasdruck beschleunigt und in die Zellen hineingeschossen. Und dann hoffen wir, dass wir dabei auch mal gelegentlich treffen, dass sich dann die Erbinformation, unser Gen, von dem Goldkügelchen ablöst und in das Genom eingebaut wird."

Nach dem Grundsatz von Versuch und Irrtum verläuft dieser Prozess, mit exaktem Wissen hat er wenig zu tun. Das sehen die beteiligten Forscher auch. Ralph Bock gesteht ein, dass "die Einzelheiten des Prozesses noch relativ wenig verstanden sind und auch sehr schwer beobachtbar. Natürlich ist klar, dass bei einem solchen Beschuss - das ist ja eine Art Schrotflintenprinzip - [...] nicht jede Zelle treffen kann. Man kann auch nicht ein gesamtes Blatt sozusagen durchschießen. Ein Blatt besteht ja aus sehr, sehr vielen Zelllagen, und bei unserem Beschuss sind die Parameter im Normalfall so eingestellt, dass der Großteil der Partikelchen z.B. in der zweiten bis dritten Zelllage stecken bleibt. Das hängt einfach mit dem Druck zusammen, den man auf einen genau definierten Wert einstellt."

Das Problem, wie man den Pflanzen artfremde Gene aufzwingt, besteht natürlich in der gesamten agrarischen Gentechnik, nicht nur da, wo es um die Herstellung künstlicher Pharmapflanzen geht. Doch in diesem Segment ist, wie noch zu zeigen sein wird, die aus dem Nichtwissen folgende Unsicherheit über die Folgen der Genmanipulation dramatischer. Schließlich geht es nicht um die Produktion z.B. einer angeblich insektenresistenten Maissorte wie dem (mittlerweile auch in Deutschland für den Anbau verbotenen) MON810, sondern um die Herstellung eines Arzneimittels, das unmittelbar auf Menschen wirkt.

Zuvor noch ein Blick auf das zweite Verfahren, um die menschlichen oder tierischen Gene in das Genom der Pflanze hinein zu bekommen, die sogenannte Genfähre. Stefan Schillberg vom Aachener Fraunhofer-Institut: "In den meisten Fällen, weil wir mit Tabak arbeiten, benutzen wir ein Bakterium, das wir als Taxi benutzen, um die genetische Information in die Pflanze einzubringen."

Viele Forscher wählen diesen Weg, denn das Bakterium ist leichter genetisch manipulierbar und wird von der Pflanze auch leichter angenommen. Michael Kleine aus Kiel: "Auch wir nutzen Bakterien, in diesem Fall ein sogenanntes Bodenbakterium, ein Agrobakterium, thumephaciens. Das ist der Organismus, den man in der Pflanzenbiotechnologie nutzt, um fremde Gene in Pflanzen zu transferieren. In dies Agrobakterium baut man eine spezielle Genfähre, ein sogenanntes Plasmid, ein, und mittels dieses Plasmides wird die DNA aus der Bakterienzelle in die Pflanzenzelle transferiert. Das Stückchen Gen-DNA wird dann stabil in das Pflanzengenom, d.h. in die Erbinformation der Pflanze integriert. Auch dieses Instrument der Genmanipulation ist, so Stefan Schillberg, "in ganz wenigen Fällen erfolgreich". Warum der Einsatz der Genfähre ebenso selten zum Erfolg führt wie die Genkanone, wissen die Forscher nicht.

Udo Conrad vom Institut für Pflanzengenetik und Kulturpflanzenforschung in Gatersleben erlebt die Unberechenbarkeit täglich, ob die Pflanzen mittels Gentransfer eingeschleuste Antikörper produzieren oder nicht: "Das ist wirklich trial and error; man merkt allerdings erst nach einen halben Jahr, ob es geklappt hat oder nicht. Also da ist immer viel Risiko dabei, bei solchen Arbeiten. Wir wissen nicht, warum manche Genveränderungen gemacht werden und manche nicht oder beim nächsten Mal drei andere und dann ist alles wieder unklar."

Udo Conrad lacht über die Ungewissheit seiner Forschererfolge. So ist das halt. Aber immerhin fließen nach wie vor die Forschungsgelder von der EU, vom Bundesforschungsministerium oder den Bundesländern; Millionenbeträge, exakt kaum bezifferbar, weil sich die Mittel in unterschiedlichsten Töpfen und Projekten finden.1

,Durchfallerbsen' als Futtermittel

Eins der Forschungsprojekte von Udo Conrad widmete sich medizinisch wirksamen Erbsen gegen Durchfallerkrankungen bei Menschen und Tieren. Ein Projekt, das im Februar 2008 mit einer Pleite endete, das aber trotzdem erzählt werden soll, weil es verallgemeinerbare Schlussfolgerungen erlaubt. Es ging hier nicht nur um Forschung im Elfenbeinturm, sondern auch um die praktische Anwendung; konkret: Wie bekommt man die Erbse "an den Mann", ohne vorher allzu große Kosten zu haben? Zum Beispiel ohne die medizinisch wirksamen Bestandteile aus den Erbsen wieder heraus destillieren zu müssen, ein überaus teurer Vorgang.

Die geniale und preiswerte Idee war: die Pflanze einfach ganz lassen und dann zwar nicht in die Suppe, aber in den Futtertrog damit! Udo Conrad: "Und das Tier ist nachher glücklich. Wir haben von Anfang an gesagt, okay, die Menschen werden das so schnell nicht essen, lasst uns das mal auf ein veterinäres Target ziehen. Genau das ist passiert." Die Idee hatte noch einen Vorteil: die künftigen Hersteller würden nicht die relativ hohen Hürden für die Zulassung eines Arzneimittels überwinden müssen. An ein Zusatzmittel für die Fütterung sind keine vergleichbar hohen Anforderungen gestellt.

Als das Erbsenprojekt so weit schien, dass man die Vermarktung ins Auge fassen konnte, rief Udo Conrad mit Kollegen aus dem Institut eine Firma ins Leben: Novoplant. Novoplant machte da weiter, wo das Gaterslebener Institut aufhören musste, weil es nicht gewerblich arbeiten und keine Gewinne machen darf.

Auf dem Weltmarkt für Arzneimittel, der auf 500 Milliarden US-Dollar geschätzt wird, wächst der Anteil der Biopharmazeutika ständig. Biopharmazeutika heißen alle die Medikamente, die in biologischen Produktionsverfahren hergestellt werden. Auch wenn nur ein Teil dieser Medikamente irgendwann mithilfe gentechnisch manipulierter Pflanzen produziert werden soll, hofft die Branche, die Pharmapflanzen könnten in naher Zukunft einige Milliarden US-Dollar erlösen. Ein verlockendes Geschäft.

Novoplant entstand 2000 auf dem Gelände des IPK in Gatersleben. Auf dem parkähnlichen Areal des Instituts liegen großzügig verteilt etwa zehn Forschungs- und Verwaltungsgebäude. Aber es war noch Platz. Ein sogenanntes Gründerzentrum mit Labors und Büroräumen wurde damals errichtet. Novoplant mietete eines der modernen Gebäude. Das Unternehmen arbeitete an der ökonomisch verwertbaren Produktion der Erbsen.

Novoplant konnte sich auf die Vorarbeiten des IPK stützen. Kostenlos. Und schließlich schien es so, als hätten die Forscher den passenden Antikörper gegen Durchfall von Schweinen, Hühnern und vielleicht sogar Menschen gefunden und könnten ihn mithilfe der genveränderten Erbsen in ausreichender Menge herstellen. Der Antikörper stammt aus dem Blut von Mäusen. Die Forscher haben ihn in die Erbsubstanz der Erbsen geschleust, die Erbsen haben sie vervielfältigt. Testweise wurden sie an Schweine und Hühner verfüttert, die man vorher mit einer weltweit auftretenden schweren Durchfallerkrankung infiziert hatte. Das Erbsenfutter sollte die Tiere von ihrem Durchfall heilen. Im Erfolgsfall hätte das Unternehmen eine Futterbeimischung mit medizinischer Wirkung anbieten können, eine Alternative zu Antibiotika, die bislang gegen diese Durchfallerkrankung eingesetzt werden.

Novoplant wollte im nächsten Schritt die Durchfallerbsen an ein Industrieunternehmen verkaufen, das die Genpflanzen im großen Stil im Freiland anbauen sollte. Der Traum von der Pflanze als lebende Arzneimittelfabrik würde so zum ersten Mal wahr werden. Zuerst für Tiere, später auch für Menschen. Dafür musste Novoplant allerdings einem potentiellen Käufer eine ausreichende Anzahl von positiven Versuchsreihen vorlegen, Anpflanzungen im Freiland und Fütterungsversuche eingeschlossen.

Im Frühjahr 2007 pflanzte die Firma tatsächlich trotz aller Proteste ihre Durchfallerbsen ins Freiland, auf dem Gelände des IPK-Gatersleben. Die Unterstützung des Instituts war ihr, trotz aller Kritik von außen, sicher. Es hatte ja Novoplant überhaupt erst in die Welt gesetzt.

Für sein Freisetzungsvorhaben erhielt Novoplant auch die nötige staatliche Unterstützung, d.h. die notwendige amtliche Genehmigung. Immerhin hatte das Unternehmen, so Dieter Falkenburg, seit seiner Gründung im Jahr 2000 mehr als 10 Millionen Euro eingeworben - die Mehrheit der Gelder aus öffentlicher Hand. Wichtigste Geldgeber waren die Landesregierung Sachsen-Anhalt, das Bundesministerium für Bildung und Forschung und das Landwirtschaftsministerium. Warum sollten also die Behörden den weiteren Fortschritt der Arbeiten von Novoplant blockieren, wenn schon so viel Geld in das Projekt geflossen war? Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit, das dem Landwirtschaftsministerium unterstellt ist, genehmigte jedenfalls den Freisetzungsversuch und wies Tausende von Einwendungen ab. Die Kritiker fürchteten besonders, dass sich die nicht völlig erforschten genmanipulierten Erbsen in der Natur weiterverbreiten könnten, verschleppt durch Kleintiere, durch Pollenflug oder durch Auskreuzungen. Alles ohne Belang, stellte das Bundesamt fest. Kein Wunder, die Institution ist durchwirkt von bekennenden Gentechnik-Fans und -Praktikern, die selber Geld mit dieser Art der Pflanzenmanipulation verdienen, wie eine Studie von Christoph Then und Antje Lorch belegt.2 Übrigens ist gegen diese Studie an keiner Stelle und von niemandem jemals Klage eingereicht worden ...

Zurück zu Novoplant. Die Firma gab bei ihrem Antrag auf Freisetzung an, man wolle testen, ob die Medizinerbsen genügend viele und genügend wirksame Antikörper für eine effiziente wirtschaftliche Verwertung ausbilden. Dieter Falkenburg, damals Geschäftsführer von Novoplant, wusste allerdings, dass die Erbsen im Sinne der Erfinder nichts taugten: "Wir wussten, dass wir eigentlich mit diesen Erbsen, mit diesem Schweineantikörper - ich sag mal ganz offen - eigentlich nicht mehr viel anfangen können. Weil inzwischen der wissenschaftliche Fortschritt in der Firma so weit war, dass wir sagen konnten, es macht keinen Sinn, damit weiterzuarbeiten."

Tatsächlich hatten Tests noch während des Genehmigungsverfahrens erbracht: Die Wundererbsen von Novoplant waren medizinisch gar nicht wirksam. Begleitende Tests der Tierärztlichen Hochschule Hannover hatten ergeben: die Schweine litten weiter an Durchfall. Die Erbsen zeigten keinerlei Wirkung.3 Ein herber Rückschlag. Die Firma ging wenig später, Anfang 2008 pleite.

Anmerkungen

1) S. die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen BT-Fraktion (Bundestagsdrucksache 16/6208): dip21.bundestag.de/dip21/btd/16/062/1606208.pdf , Zugriff: 28.10.09

2)www.ulrike-hoefken.de/cms/default/dokbin/232/232887.kontrolle_oder_kollaboration_agrogentech.pdf , Zugriff 28.10.09

3)deposit.d-nb.de/cgi-bin/dokserv?idn=983394105&dok_var=d1&dok_ext=pdf&filename=983394105.pdf , Zugriff 28.10.09



Albrecht Kieser, Sozialwissenschaftler, arbeitet seit 1995 im Rheinischen JournalistInnenbüro und ist zusätzlich als freiberuflicher Autor - hauptsächlich für den Hörfunk - tätig.

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