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Klaus Holzkamp

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UrheberInnen-Solidarität

15.08.2008: Die Geschichte der Verwertungsgesellschaften (Teil I)

  
 

Forum Wissenschaft 3/2008; Foto: Manfred Vollmer

Kämpfe um das Eigentum haben eine lange Geschichte, auch die Kämpfe um geistiges Eigentum und um dessen Nutzung. Die ProduzentInnen selbst waren die VorkämpferInnen. Schließlich mussten (und müssen) sie häufig von ihm leben. Albrecht Dümling erzählt die Geschichte des Schutzes geistigen Eigentums mit Blick auf die Musik, auf Wissenschaft und Kunst, durch Friedens- und Kriegszeiten hindurch.

Der Pariser Uhrmachersohn Pierre-Augustin Caron steckte voller Ideen, auf die er stolz war und die er nicht einfach verschenken wollte. 1753 entdeckte er ein neues Hemmungsrad für Taschenuhren, die so genannte Unruh, welche die Laufpräzision entscheidend verbesserte. Caron stellte dem königlichen Uhrmacher Jean-André Lepaute seine Erfindung vor. Der Uhrenexperte erkannte die Bedeutung der Neuheit sofort und veröffentlichte in der Zeitschrift "Le Mercure de France" einen Artikel, worin er sie als eigenen Fund deklarierte. Der junge Caron war über diesen Diebstahl seines geistigen Eigentums empört und pochte in einem offenen Brief umgehend auf seine Urheberschaft. Er rief die französische Akademie an, die in einem Gutachten seine Priorität bestätigte. Caron hatte gesiegt, Lepaute war blamiert. Schon ein Jahr später übernahm der gerade 22-jährige Erfinder die Stellung des Älteren als Hofuhrmacher. Rasch stieg er dort dank seines Ideenreichtums und seiner Initiative auf. Er heiratete eine reiche Witwe, erhielt dadurch Landbesitz, den Namen Beaumarchais und besseren Zugang zum Hof.

Uhren und mehr

Es blieb nicht bei den Uhren. Beaumarchais, wie man ihn bald nannte, wurde Geheimagent, ein überaus erfolgreicher Kaufmann, der umfangreiche Waffenlieferungen in das damals von England sich lösende Nordamerika organisierte (Lion Feuchtwanger widmete dem Thema einen Roman), und nicht zuletzt Bühnenautor. Viel Beifall fanden seine Komödie Le barbier de Séville und das sozialkritische Lustspiel La folle journée ou le mariage de Figaro, die Grundlage für Mozarts Oper. Die Theater wurden damals meist von Schauspielern geleitet, die häufig den Autoren Zahlungen schuldig blieben oder falsche Angaben über ihre Einkünfte machten. Beaumarchais wollte sich diesen Betrug nicht gefallen lassen. Da auch andere Autoren betroffen waren, suchte er nach einer grundsätzlichen Lösung. Am 3. Juli 1777 lud er Kollegen der schreibenden Zunft in sein Haus im Pariser Marais-Viertel ein. Bei diesem Treffen erläuterte er den versammelten Bühnenautoren, dass man von Beifall allein nicht leben könne: "Man diskutiert in den Foyers der Theater darüber, dass es für die Autoren, die nach Ruhm streben, nicht vornehm sei, um die Bedürfnisse des täglichen Lebens zu kämpfen. Man hat vollkommen recht, der Ruhm besitzt eine große Anziehungskraft, doch leider wird vergessen, dass man 365mal in einem Jahr zu Mittag speisen muss, um sich dieses Ruhmes ein Jahr lang zu erfreuen." Die Autoren ließen sich von der Rede ihres Gastgebers überzeugen und gründeten an jenem Sommerabend das "Bureau de Législation Dramatique" - die erste Urheberrechtsgesellschaft der Welt.

Wie erwähnt, besaß Beaumarchais enge Kontakte nach Nordamerika, wo 1788 die Verfassung der Vereinigten Staaten von Amerika verkündet wurde. Sie stellte zum ersten Mal das geistige Eigentum unter gesetzlichen Schutz. Drei Jahre später, am 13. Januar 1791, trat in Frankreich das erste Urheberrechtsgesetz in Kraft. Unter allen Besitztümern - so hieß es in dieser Verordnung - seien die geistigen Werke des Schriftstellers die heiligsten, unangreifbarsten und persönlichsten. Dem gesetzlichen Schutz entsprechend wurde im März 1791 das bisherige "Bureau de Législation Dramatique" durch ein "Bureau de Perception des droits d'auteurs et compositeurs" ersetzt. Den Autoren standen damit die Komponisten zur Seite, die über das neue Büro Gebühren für Aufführungen ihrer Bühnenwerke erhielten. An den Schutz anderer Komponisten dachte man damals noch nicht, da die Zahl der Konzerte unüberschaubar schien. 1798 sorgte die Gründung einer konkurrierenden Verwertungsgesellschaft für Unruhe, bis sich schließlich im März 1829 beide Gesellschaften zu der bis heute bestehenden "Société des Auteurs et Compositeurs Dramatiques" (SACD) vereinten. Auslöser der Bewegung war der selbstbewusste Pierre-Augustin Caron de Beaumarchais gewesen, dem bis heute jeder Autor die Erkenntnis verdankt, "sich nicht nur zur Wehr zu setzen, um seine Interessen durchzusetzen, sondern auch aus Selbstachtung".

Das französische Gesetz schützte einheimische Autoren, nicht aber die ausländischen, deren Werke weiterhin plagiiert wurden. Zu den Leidtragenden gehörte Carl Maria von Weber, dessen Freischütz-Oper in Paris in geänderter Form erklang - die Tantiemen kassierte der französische Bearbeiter. Das Allgemeine Preußische Landrecht von 1794 schützte zwar die Verleger, nicht aber die Autoren. Das änderte sich am 11. Juni 1837, als Preußen das "Gesetz zum Schutz des Eigentums an Werken der Wissenschaft und Kunst" verabschiedete, damals das modernste Urheberrecht. 1841 erhielt dieses Gesetz auch im Deutschen Bund Geltung.

Wie in Frankreich, waren auch in Deutschland die Schöpfer musikalischer Bühnenwerke Vorkämpfer des Urheberrechts. Parallel zur Reichsgründung riefen sie am 16. Mai 1871 eine "Deutsche Genossenschaft dramatischer Autoren und Komponisten" ins Leben. Deren Statut berief sich auf das Gesetz für den norddeutschen Bund vom 11. Juni 1870, betreffend das Urheberrecht an Schriftwerken, Abbildungen, musikalischen Kompositionen und dramatischen Werken. Das Deutsche Reich übernahm ein Jahr später dieses Gesetz, das allerdings das Aufführungsrecht für Konzertwerke stiefmütterlich behandelte. Denn es schützte nur Aufführungen ungedruckter Werke und gab alle anderen Stücke frei: "Musikalische Werke, welche durch Druck veröffentlicht worden sind, können ohne Genehmigung des Urhebers öffentlich aufgeführt werden, falls nicht der Urheber auf dem Titelblatt oder an der Spitze des Werkes sich das Recht der öffentlichen Aufführung vorbehalten hat." Diese Regelung entsprach dem Interesse der Verleger an einem möglichst unkomplizierten Notenabsatz und einer weiten Verbreitung der Werke. Mit diesem Argument konnten sie die meisten Komponisten dazu bewegen, ihnen mit den Verlagsrechten auch das Aufführungsrecht zu übertragen. Die im Gesetz immerhin erwähnte Möglichkeit zur Verwertung der Aufführungsrechte ließen die Urheber in der Regel ungenutzt. Sie ahnten damals noch nicht, dass ihnen damit eine wesentliche Einkommensquelle entging.

Um Werke deutscher Autoren auch im Ausland zu schützen, mussten internationale Vereinbarungen geschlossen werden. Grundlegend war ein Abkommen, das am 9. Juni 1886 in der Hauptstadt der Schweiz von neun Ländern, von Deutschland, Belgien, Spanien, Frankreich, Großbritannien, Haiti, Italien, Liberia, der Schweiz und Tunesien, unterzeichnet wurde und erstmals das internationale Urheberrecht regelte. Die so genannte Berner Konvention schützte den Urheber eines Verbandslandes in allen anderen Verbandsländern nach den jeweiligen nationalen Gesetzen wie ein Inländer. Deutsche Komponisten genossen nun endlich auch in Frankreich den dort geltenden Schutz, wie umgekehrt ihre französischen Kollegen östlich des Rheins nicht länger vogelfrei blieben. Die Berner Übereinkunft bewirkte zudem, dass sich die Urheberrechtsregelungen der Unterzeichnerstaaten aneinander annäherten. Zu den Vätern dieser epochemachenden Vereinbarung gehörte der Dichter und Romancier Victor Hugo; als Präsident der "Société des Auteurs et Compositeurs Dramatiques" hatte er 1878 im hohen Alter die "Association littéraire et artistique internationale" (ALAI) mit dem Ziel begründet, den internationalen Schutz der Autoren zu vervollkommnen. Als diese Gesellschaft im September 1895 einen Kongress in Deutschland durchführte, wurde erstmals eine deutsche Gesellschaft für musikalische Aufführungsrechte gefordert. Ein aktiver Vorkämpfer solcher Bestrebungen war der Berliner Urheberrechtler Prof. Dr. Albert Osterrieth, der 1897 zu den Gründern der "Internationalen Vereinigung für gewerblichen Rechtsschutz" gehörte. Aber es sollten weitere vier Jahre vergehen, bis am 19. Juni 1901 das "Gesetz betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und der Tonkunst" den Schriftstellern und Komponisten ausdrücklich die ausschließlichen Aufführungsrechte für die von ihnen geschaffenen Werke zusprach. Damit waren auch in Deutschland die gesetzlichen Möglichkeiten geschaffen, eine Anstalt für musikalische Aufführungsrechte einzurichten, wie sie sich in Frankreich, Italien und Österreich bereits bewährt hatten.

Ein einzelner Urheber kann unmöglich allein seine Aufführungsrechte verwalten, kann er doch kaum je alle Aufführungen der eigenen Werke überschauen und die dafür nötigen Gebühren erheben. Auch einzelne Veranstalter und ausführende Künstler sind mit der Aufgabe überfordert, bei allen Rechteinhabern, deren Stücke sie aufführen, Genehmigungen und Aufführungsrechte einzuholen. Eine so komplexe Aufgabe kann nur von einer darauf spezialisierten Verwertungsgesellschaft gelöst werden. Diese verwaltet als Solidargemeinschaft treuhänderisch die Rechte "ihrer" Urheber, vergibt gegen Gebühr die notwendigen Genehmigungen und betreibt anschließend das Inkasso der vereinbarten Gebühren.

Gemischte Gesellschaft

Als weltweit erste Verwertungsgesellschaft für nichtdramatische Musik war 1851 in Paris die "Société des Auteurs, Compositeurs et Editeurs de Musique" (SACEM) gegründet worden, die schon im ersten Jahr 350 Mitglieder, Komponisten, Textdichter und Verleger vertrat. Bei öffentlichen Aufführungen ihrer Werke mussten die Veranstalter durchschnittlich zwölf Prozent der Einnahmen an die SACEM abführen. Dieser hohe Satz entsprach den Interessen der Unterhaltungskomponisten, auf deren Initiative die Gesellschaft entstanden war. Gerade in Paris wurden im Unterhaltungssektor erhebliche Einkünfte erzielt. Viele österreichische Autoren und Verleger hielten das französische Beispiel für nachahmenswert, weshalb sie im Dezember 1897 in Wien die "Gesellschaft der Autoren, Componisten und Musikverleger" (später abgekürzt AKM) gründeten. Es gab Bestrebungen, auch in Deutschland eine ähnliche Gesellschaft ins Leben zu rufen. Aber Komponisten ernster Musik wie Richard Strauss, Eugen d'Albert, Engelbert Humperdinck und Hans Sommer gaben zu bedenken, dass sich das deutsche Musikleben von dem in Frankreich prinzipiell unterscheide. Die rein wirtschaftliche Arbeitsweise der SACEM passe zur Vorherrschaft der Unterhaltungsmusik in Frankreich, weniger dagegen zur Priorität ernster Musik in deutschen Konzerten. Eine pauschale Besteuerung der Konzerteinnahmen, so befürchtete man, würde die Veranstalter vor geschützten zeitgenössischen Werken zurückschrecken lassen. An deren Stelle würden noch mehr als bisher die Klassiker treten.

Ein wichtiges Forum für solche Überlegungen war der Allgemeine Deutsche Musikverein. Hier diskutierte man verschiedene Modelle, wie das Aufführungsrecht vielmehr dazu benutzt werden könne, Aufführungen neuer Musik zu fördern. So dachte man an eine Besteuerung auch der älteren Werke, die dann den neuen Kompositionen zugute kommen sollte. Dazu sei allerdings eine Verlängerung der Schutzfrist unbedingt notwendig.

Auch der verlegernahe Verein der Deutschen Musikalienhändler wog die Vorteile und Nachteile von Aufführungsgebühren ab. Im Schnellverfahren gründete er im Mai 1898 in Leipzig eine "Anstalt für musikalisches Aufführungsrecht", die vor allem den Handel und die Verleger begünstigte. Nachdem die Komponisten diesen überraschenden Coup durchschaut hatten, forderten sie eine eigene Tantiemenanstalt. Im Juli 1898 rief Richard Strauss seine Kollegen in einem offenen Brief auf, sich bei der bevorstehenden Revision des Urhebergesetzes zu Wort zu melden. Die Leipziger Anstalt, die die Hälfte der Tantiemen an die Verleger verteilte, sei untragbar. Vielmehr sollten vor allem die Autoren, ohne die keine Musik existieren würde, von den Aufführungstantiemen profitieren.

Interesse und Solidarität der Komponisten wuchsen. Sie erkannten, dass sie nur dann ihr Recht erhalten würden, wenn sie sich selbst dafür einsetzten. Zunächst organisierten sie mit Erfolg einen Boykott gegen die Leipziger Tantiemenanstalt. Sodann beteiligten sie sich an der Neugestaltung des Urheberrechtsgesetzes, wobei der juristisch gebildete Friedrich Rösch, ein Freund von Richard Strauss, die Führung übernahm. Das "Gesetz, betreffend das Urheberrecht an Werken der Literatur und Tonkunst", das schließlich am 29. Juni 1901 verkündet wurde, befriedigte die Komponisten nicht wirklich. Dennoch bildeten sie auf dieser Grundlage am 14. Januar 1903 als Solidargemeinschaft die "Genossenschaft Deutscher Tonsetzer" (GDT), die einige Monate später im gleichen Gebäude in der Berliner Wilhelmstrasse eine eigene "Anstalt für Musikalisches Aufführungsrecht" (AFMA) eröffnete.

Von Beginn an bemühte sich die AFMA um eine gerechte Bewertung der geistigen Leistung. Anders als die französische SACEM unterschied sie zwischen ernster und unterhaltender Musik, zwischen E- und U-Musik, und entwickelte dabei ein differenziertes Punktesystem. Während bei Unterhaltungsmusik Musiktyp und Zeitdauer für die Punktzahl wesentlich waren, war es bei ernster Musik zusätzlich die Schwierigkeit der Besetzung. Auf diese Weise sollte eine objektiv nachvollziehbare Wertung erzielt werden. Bis heute wurde dieser Verteilungsplan immer weiter verfeinert. Auch die kollektive Rechtewahrnehmung, das damals eingeführte System der Berechtigungsverträge und Pauschalgebühren, hat sich bis heute bewährt.

Komponisten und Verleger von Unterhaltungsmusik sahen sich durch das Punktesystem und den Verteilungsplan der AFMA benachteiligt. Da für sie mehr als die geistige Leistung der durch Aufführungen erzielte Umsatz zählte, gründeten sie 1915 eine eigene Tantiemenanstalt, die "Genossenschaft zur Verwertung musikalischer Aufführungsrechte" (GEMA, heute "alte GEMA" genannt). Es verwundert nicht, dass es zu ständigen Konflikten zwischen beiden Gesellschaften kam. Angesichts der wirtschaftlichen Erfolge der GEMA, deren Einkünfte die der AFMA rasch überflügelten, verschärfte sich der Ton. In seinem Liedzyklus Krämerspiegel (nach Texten von Alfred Kerr) betonte Richard Strauss 1918 noch einmal die Position der GDT, indem er satirisch zugespitzt die unterschiedlichen Interessen der Urheber und der Verleger gegenüberstellte. Immer wieder gab es Einigungsversuche, die regelmäßig scheiterten. Zu einer dauerhaften Lösung kam es erst im September 1933, als Joseph Goebbels die Konkurrenten zur "Staatlich genehmigten Gesellschaft zur Verwertung musikalischer Urheberrechte" (Stagma) zusammenfasste. Die neue Gesellschaft unterstand dem Propagandaminister und hatte schon bald dessen judenfeindliche Politik zu übernehmen. Nach dem "Anschluss" Österreichs ging auch die dortige AKM in die reichsdeutsche Stagma über.

Solange Richard Strauss Präsident der Reichsmusikkammer war, waren die E-Musik-Komponisten im Vorteil. Denn die Stagma reservierte ein Drittel der Einkünfte aus konzertmäßigen Aufführungen für sie, dieses "Ernste Drittel" sollte ihnen eine Existenzgrundlage bieten. Die höhere Bewertung der E-Musik, von der schon die AFMA ausgegangen war, entsprach der Auffassung Adolf Hitlers. Während des Krieges aber siegte schließlich der Pragmatismus von Joseph Goebbels. Unterhaltungskomponisten hatten sich bei ihm darüber beklagt, dass sie mit ihren höheren Einkünften die ernste Musik alimentierten. Auf Weisung des Propagandaministers wurde daraufhin 1940 das "Ernste Drittel" gestrichen. Die Ausrichtung an den kulturellen Werten, wie sie Richard Strauss und die Gründer der GDT angestrebt hatten, wich damit der Orientierung am wirtschaftlichen Erfolg.

Im Krieg steigerten sich die Einnahmen noch, was auch mit Gebietsgewinnen zusammenhing. So konnte die Stagma neue Bezirksleitungen in Straßburg, Posen und Krakau einrichten. 1943 betrugen ihre Einkünfte stattliche 16 Millionen Reichsmark. Im Februar 1945 wurde das Gebäude, wohin die Verwertungsgesellschaft während des Krieges ausgelagert war, bei einem Bombenangriff total zerstört. Dennoch konnte die Stagma 1947 fast bruchlos in eine neue Gesellschaft übergeführt werden, die wiederum eine Monopolstellung besaß und sich GEMA nannte. Die Abkürzung besaß nunmehr allerdings eine erweiterte Bedeutung: "Gesellschaft für musikalische Aufführungs- und mechanische Vervielfältigungsrechte". Schon die Stagma hatte seit 1938 auch die so genannten mechanischen Rechte, die Rechte an Tonaufnahmen, vertreten. Seitdem tragen Rundfunk- und Schallplattenaufnahmen ebenso zu den Einnahmen der Verwertungsgesellschaft bei. Plattenhersteller haben an sie etwa zehn Prozent der Lizenzbasis eines Tonträgers für die mechanische Vervielfältigung abzuführen.

Übergänge

Der fließende Übergang von der NS-Zeit zur bundesrepublikanischen Wirklichkeit verdankte sich dem taktischen Geschick des ehemaligen Stagma-Mitarbeiters und neuen GEMA-Generaldirektors Erich Schulze. Wegen der Berliner Blockade verlagerte er den Hauptsitz der Gesellschaft nach München. Schulze bemühte sich andererseits um ein sachliches Verhältnis zur 1951 in der DDR entstandenen AWA (Anstalt zur EURung der Aufführungsrechte). Unter seiner Führung beteiligte sich die GEMA maßgeblich an der Weiterentwicklung des Urheberrechts, vor allem des "Gesetzes über Urheberrecht und verwandte Schutzrechte" vom 9. September 1965, kurz Urheberrechtsgesetz (UrhRG). Es diente der "Sicherung einer angemessenen Vergütung für die Nutzung des Werkes" und verpflichtete die Verwertungsgesellschaften - wie dies schon für die Genossenschaft deutscher Tonsetzer und die AFMA gegolten hatte - zu einer Abgabe für kulturelle und soziale Zwecke.

Als Schulze im Dezember 1989 nach 40-jähriger Tätigkeit als GEMA-Generaldirektor in den Ruhestand ging, hatte sich mit dem Fall der Mauer die politische Situation in Deutschland erneut verändert. Diesen Veränderungen trug sein Nachfolger Reinhold Kreile Rechnung. Er bemühte sich um eine gerechte Einbindung der ostdeutschen Autoren und setzte den wirtschaftlichen Trends der Zeit den kulturellen und sozialen Auftrag der GEMA entgegen, der Gründungsidee von 1903 folgend. Die Verwertungsgesellschaft mit dem Pegasus als Symbolfigur vertritt in Deutschland heute das gesamte Weltrepertoire der urheberrechtlich geschützten Musik und gehört mit über 60.000 Mitgliedern und Erträgen von zuletzt 874 Millionen Euro weltweit zu den führenden Verwertungsgesellschaften. Maßstäbe setzen auch ihre kulturpolitischen Impulse. Nicht zufällig war bis zu diesem Sommer der Komponist Christian Bruhn zugleich Vorsitzender des GEMA-Aufsichtsrats und Präsident der CISAC (Confédération internationale des Sociétés d'Auteurs et Compositeurs), des internationalen Netzwerks der Urheberrechtsgesellschaften, zu dem 217 Autorenverbände aus 114 Ländern gehören. Beim Brüsseler Urheberrechtsgipfel der CISAC hob Bruhn am 30. Mai 2007 hervor: "Die Arbeit der Autoren bildet die Quelle der Wertschöpfungskette. Ohne diese Arbeit gibt es keine Kreativwirtschaft, keine Internetgeschäfte und keine Downloads." Obwohl der Einfluss der E-Komponisten in der GEMA seit 1903 erheblich gesunken ist, gilt der kulturelle Auftrag, dem sie ihre Berechtigung verdankt, unverändert.


Dr. Albrecht Dümling lebt als Musikwissenschaftler und Publizist in Berlin und hat zuletzt eine Geschichte der GEMA verfasst. Die Originalfassung seines Beitrags erschien zuerst in in der Zeitschrift der Kulturpolitischen Gesellschaft "politik und kultur" (November/Dezember 2007, S.2-5). Für Forum Wissenschaft ist er leicht überarbeitet. - Teil II erscheint in Forum Wissenschaft 4/2008.

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