BdWi - Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

»Wissenschaft ist also ein prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen.«

Klaus Holzkamp

Newsletter abonnierenKontaktSuchenSitemapImpressumDatenschutz
BdWi
BdWi-Verlag
Forum Wissenschaft

Änderung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes

21.03.2007: Stellungnahme des BdWi

An den Landtag Brandenburg
Ausschuss für Wissenschaft, Forschung und Kultur

Bonn, 21.03.07

Drittes Gesetz zur Änderung des Brandenburgischen Hochschulgesetzes (Gesetzentwurf der Landesregierung - Drs. 4/405)
- Stellungnahme des BdWi

Sehr geehrte Damen und Herren,

Zu dem mir vorgelegten Gesetzentwurf nehme ich namens meines Verbandes gerne Stellung. Ich orientiere mich dabei nicht an allen Details, sondern an den wesentlichen Änderungen bzgl. der Berufungspolitik. Die 10 Fragen des Ausschusses (Anlage 2) beantworte ich sehr summarisch (s. u.), aber im Detail gerne, wenn gewünscht, bei der mündlichen Befragung.

Allgemeines

In den 10 Fragen des Ausschusses sind Grundfragen nach dem Verhältnis von "Autonomie" und Selbstverwaltung/Partizipation aufgeworfen. Ob der Gesetzentwurf eine "Stärkung der Autonomie" (Frage 2) bedeutet, darf bezweifelt werden. Erstens weil eine Autonomie, die nach politischer Bedarfslage "gewährt" oder entzogen werden kann, nicht substantieller Natur ist. Eher handelt es sich um eine formale Änderung des Modus staatlicher Steuerung. Zweitens kann ein Zuwachs an Autonomie nur in Verbindung stehen mit einer Stärkung der körperschaftlichen Selbstverwaltungsrechte aller Hochschulmitglieder bzw. ihrer RepräsentantInnen. Die herrschende hochschulpolitische Tendenz, von der auch der vorgelegte Entwurf nicht abweicht, besteht demgegenüber darin, wesentliche Entscheidungsbefugnisse an der Spitze der Hochschule zu konzentrieren und im umgekehrten Verhältnis die Selbstverwaltungsgremien auf Beratungsfunktionen zu reduzieren. Deren "Autonomie", verstanden als Entscheidungskompetenz über die eigenen Arbeitsbedingungen, ist daher eher rückläufig.

Die BVerfG-Rechtssprechung (Frage 9) steht aber eine "größtmögliche(n) Beteiligung aller akademischen Gruppen" - zu ergänzen wäre: auch der nicht-akademischen Personalkategorien - keineswegs entgegen. Das 1973er-Urteil zum niedersächsischen Vorschaltgesetz sagt zunächst, dass grundlegende Entscheidungen in Forschung, Lehre und Berufung einer zwingenden ("qualifizierten") Professorenmehrheit bedürfen. Gleichzeitig enthält das Urteil aber auch einen Passus, der besagt, dass es sog. allgemeine Belange jeder Hochschule gibt - etwa Strukturfragen, studienorganisatorische Entscheidungen, Haushalts- und Finanzfragen - , die nicht zwingend einer qualifizierten Mehrheit bedürften. Mit der Dezentralisierung ehemals staatlicher Regelungskompetenzen und deren Übertragung auf die Einzelhochschule werden dadurch grundsätzlich auch neue Mitbestimmungsgegenstände geschaffen. Dies ist einzig eine Frage des politischen Willens.

Der Gesetzentwurf folgt einem bundesweitem hochschulrechtlichen Trend, der oft beschrieben wurde als Übergang vom "Kollegialprinzip" der Hochschulverfassung zum "Managementprinzip". Dazu gehört die Übertragung aller personalwirtschaftlichen Belange (Dienstherrenfunktion) und des Berufungsrechtes als Mittel dezentraler Gestaltung vom Staat auf die Einzelhochschule, genauer: auf die Hochschulleitung. Die generelle Kritik an dem Entwurf lautet, dass die diesbezüglichen Neuregelungen nicht klar und widerspruchsfrei sind. Die sog. "Entstaatlichung" erfolgt inkonsequent und mit zahlreichen Hintertürchen. Gleichzeitig werden die mit der Übertragung des Berufungsrechtes verbundenen möglichen Konflikte - etwa zwischen akademisch-fachlichem Selbstergänzungsrecht und wettbewerbspolitischen Profil-bildungsinteressen der jeweiligen Hochschulleitung - nicht benannt, geschweige denn geregelt.

Ungeachtet dessen sind einzelne Änderung zustimmungsfähig, auf die im folgenden daher nicht eingegangen wird.

§ 38: Einstellungsvoraussetzungen

Der Begriff "Fähigkeiten im Wissenschaftsmanagement" ist politisch uneindeutig und umstritten. Wenn eine solche neue Qualifikationskategorie gesetzlich eingeführt wird, sollte auch benannt werden, wie diese Qualifikation im Regelfall erworben bzw. nachgewiesen werden kann. Als Regelung einer fachlichen Einstellungsvoraussetzung halte ich diese Ergänzung für überflüssig.

Die Ergänzungen bzgl. der Juniorprofessur (JP) (Streichung von "in der Regel") scheinen mir nicht erforderlich zu sein. Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil zur 5. HRG-Novelle einen Kompetenzübergriff des Bundes kritisiert, welcher die JP zum Regelqualifikationsweg machen wollte. Wenn der Gesetzgeber eines Landes diesen Qualifikationsweg (einschließlich Tenure Track) für sachangemessener hält als traditionelle Wege, kann er dies auch gesetzlich regeln.

§ 39: Berufung

Die grundsätzliche Anbindung der Berufungskommissionen (Abs. 2) an den Fachbereich ist zu begrüßen. Die erweiterte Repräsentanz in der Zusammensetzung der Kommissionen kann dazu beitragen, eine Abstimmung zwischen allgemeinen Entwicklungszielen der Hochschule, unmittelbare wissenschaftlichen Belangen des Fachbereiches und öffentlichen Interessen zu gewährleisten. Wenn dies politisch so gewollt ist, ist - im Falle einer Dezentralisierung des Berufungsrechtes - ein zusätzlicher inhaltlicher Interventionsvorbehalt des Präsidenten gegen Kommissionsentscheidungen weder wünschenswert noch erforderlich.

Was die externen Mitglieder der Berufungskommissionen betrifft, hat sich in ähnlichen Rege-lungen bewährt, statt "Mitglieder aus der Wirtschaft" (Abs. 2) "VertreterInnen der Berufspraxis" zu sagen, um eine breitere Repräsentanz legitimer gesellschaftlicher Interessen zu ermöglichen ("Wirtschaft" wird im Regelfall mit Unternehmensvertretern gleichgesetzt). Ich empfehle diese Ersetzung.

Was die generellen Regelungen zum Berufungsrecht betrifft, würde ich eine eindeutige Regelung bevorzugen: entweder man behält die traditionelle Form (Berufung durch das Ministerium) bei - oder man überträgt das Recht generell den Hochschulen. Für beide Varianten gibt es gute Argumente und verschiedene (d.h. gute oder schlechte) Regelungsmöglichkeiten. Eine einzelfallbezogene Rechtsübertragung auf Widerruf halte ich für ebenso kontraproduktiv wie die Konstruktion eines zusätzlichen Evaluationssachverhalts (neuer Abs. 6), um ggf. das Berufungsrecht wieder zu entziehen. Gesetzwidrigkeiten in Berufungsverfahren können/müssen auch durch politisch legitimierte Institutionen festgestellt werden (im Zweifelsfall durch Gerichte), das Erfolgskriterium der "Effektivität" ist politisch dehn- und interpretierbar. Für beide Maßstäbe braucht es keine zusätzliche Kommission.

Die Frage, die der Gesetzentwurf offen lässt, ist, worin im Falle einer Übertragung des Berufungsrechtes auf die Hochschule das Entscheidungsrecht des/der PräsidentIn genau besteht (neuer Abs. 5), vor allem im Verhältnis bzw. im Konfliktfall mit den Kollegialorganen (bzw. den akademischen Gremien). Ist dies eine eher formale Kompetenz, die allerdings wünschenswert zur Professionalisierung und Koordinierung - und damit Beschleunigung - von Berufungsverfahren führen kann (allein durch besserer Koordination der verschiedenen, am Verfahren beteiligten Entscheidungsebenen)? Oder handelt es sich um ein inhaltliches Gestaltungsrecht einer monokratischen Hochschulleitung? Das wäre dann der Fall, wenn ultimative Letztentscheidungen über Struktur und Profilbildung der Hochschule bei der/dem Präsiden-ten/in angesiedelt sind. Die Empfehlungen des Wissenschaftsrates "Zur Ausgestaltung von Berufungsverfahren" (2005), auf die sich der Gesetzeskommentar bezieht, setzen beide Varianten in ein Verhältnis, fordern von der Leitungsebene allerdings eine frühzeitige Beratung mit den Fakultäten über die Entwicklungsziele der Hochschulen, möglichst schon Jahre bevor Berufungsentscheidungen anstehen. In der bisherigen Praxis ist dies aber nicht die Regel. Bundesweit häufen sich vielmehr die Fälle einer nachträglichen abweichenden Intervention in einstimmige Entscheidungen von Berufungskommissionen und Senaten. Dies muss zwar nicht, kann aber Ausdruck eines zunehmenden Konfliktes zwischen wettbewerbspolitischen Profilbildungsinteressen der Hochschulleitung und wissenschaftlich-fachlichen Entscheidungskriterien sein. Diesen Konflikt lässt der Gesetzentwurf ungeregelt im Raum stehen.

Ein Zustand, in dem über Strukturen und wissenschaftliche Schwerpunkte der Hochschulen nicht mehr im Zusammenwirken von wissenschaftlichen RepräsentantInnen und politisch legitimierten Entscheidungsträgern, sondern auf der Ebene eines operativen Managements entschieden wird, kann gesellschaftlich nicht wünschbar sein.

Torsten Bultmann
Bundesgeschäftsführer

Zum Seitenanfang | Druckversion | Versenden | Textversion