BdWi - Bund demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler

»Wissenschaft ist also ein prinzipielles Gegen-den-Strom-Schwimmen.«

Klaus Holzkamp

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BdWi-Mitgliederversammlung

01.04.2007: Hannover. Bericht in der Tageszeitung "Junge Welt"

Am 1. April fand in Hannover die 36. Mitgliederversammlung des BdWi statt. Über sie berichtet Sebastian Wessels in der Jungen Welt:

03.04.2007 / Inland / Seite 5
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Widerstand gegen Niedriglohnsektor Uni

Mitgliederversammlung des BdWi in Hannover befaßte sich mit dem Boom unsicherer Beschäftigungsverhältnisse an den Hochschulen

Sebastian Wessels

Sind wir nicht alle ein bißchen prekär?" Diese Frage dränge sich bei der "haarsträubenden Konjunktur" förmlich auf, die das Wort "prekär" derzeit erfahre. Mat­thias Neis von der Universität Jena warnte in seinem Referat davor, aus "Prekarität" einen Gemeinplatz zu machen. Es handele sich um die "Gefahr, von der materiellen, kulturellen und sozialen Teilhabe ausgeschlossen zu werden".

Neis' Vortrag eröffnete am Sonntag die diesjährige Mitgliederversammlung des Bundes demokratischer Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler (BdWi) in Hannover, die unter dem Motto "prekäre Wissenschaft" stand. Der BdWi war 1968 von kritischen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gegründet worden, die an der Seite der Studentenbewegung für eine Demokratisierung der Gesellschaft und insbesondere der Hochschulen eintraten. Heute bedrohe der neoliberale Umbau der Arbeitswelt nicht nur die an den Hochschulen Beschäftigten, so Neis, sondern auch die Autonomie der Wissenschaft selbst.

Zwar sei das klassische Normalarbeitsverhältnis dort noch die Regel, aber bereits auf dem Rückzug. Bis zu 50 Prozent des Lehrangebots werde inzwischen von Lehrbeauftragten im Rahmen kurzfristiger Verträge bestritten. Der zunehmende Einsatz von Ein-Euro-Jobbern als wissenschaftliche Hilfskräfte sei nur eine "Verlängerung dieses Prinzips", ein unterfinanziertes Bildungssystem durch die Ausbeutung hochqualifizierter Arbeitskräfte am Leben zu halten. Ein anderer Großteil der Finanzierungslücke werde durch Drittmittel - also Sponsorengelder - gefüllt, die rund 20 Prozent der Hochschuletats ausmachten und die Unabhängigkeit der Forschung in Frage stellten.

Wie so oft, wenn es um Prekarität geht, kreiste die anschließende Diskussion um die Frage, warum die Betroffenen - hier die Lehrbeauftragten - sich so gefügig zeigten und ob es ein Widerstandspotential gebe. Neis zufolge ist es vor allem das Bestreben, um der Berufschancen willen den Kontakt zum Wissenschaftsbetrieb aufrechtzuerhalten, das die Beschäftigten bei der Stange halte - schuften nach dem Prinzip Hoffnung. Morus Markard, Psychologieprofessor an der FU Berlin, berichtete gar von einem "Marlboro-Effekt", den er bei Studierenden beobachte, welche unsichere Beschäftigungsverhältnisse zu einem Hauch von "Freiheit und Abenteuer" verklärten.

Im Herbst sollen diese Probleme auf einer Tagung zum Thema "Prekarisierung von Wissenschaft und wissenschaftlichen Arbeitsverhältnissen" näher diskutiert werden, wobei es vor allem darum gehen soll, ob das Wissenschaftssystem bereits die "Grenze zum Funktionalitätsverlust" überschritten habe und wie die Chancen eines effektiven Widerstands der Beschäftigten stehen. Torsten Bultmann, Sozialwissenschaftler und Mitglied der Geschäftsführung des BdWi, verwies auf einen Streik von Münchener Lehrbeauftragten im vergangenen Jahr als mögliches Vorbild.

Des weiteren wurde die politische Arbeitsplanung für das laufende Jahr beschlossen. Auf dem Programm steht unter anderem eine Herbstakademie zur "Wiederentdeckung des Politischen im Neoliberalismus", ein G-8-Alternativgipfel in Rostock, ein Kongreß zum Vordringen des Kreationismus in der Wissenschaft und ein weiterer zur Macht und politischen Einflußnahme des Bertelsmann-Konzerns.

Wir danken der Online-Redaktion der Jungen Welt für die Erlaubnis, den Text hier wiedergeben zu dürfen. Siehe auch: Online-Ausgabe der Jungen Welt

Torsten Bultmann wurde in seinem Amt als Geschäftsführer bestätigt. Vera Klier kandidierte nicht erneut für die Geschäftsführung. Die über 45 anwesenden KollegInnen beschlossen eine a.o. Mitgliederversammlung, die auf den 25. November 2007 terminiert wurde. Auf ihr soll die bisherige zweite Geschäftsführungsstelle nach Festlegung des Stellenprofils, öffentlicher Ausschreibung und ersten Bewerbungsgesprächen besetzt werden.

In den Engeren Bundesvorstand wurden Christina Kaindl, Sabine Kiel, Vera Klier, Dagmar Neubauer, Marc Kaulisch und Werner Krämer-Kranz gewählt.

Im Erweiterten Bundesvorstand sind zusätzlich Eleni Andrianopulu, Carmen Ludwig, Emilija Mitrovic, Jana Schultheiss, Sonja Staack, Alex Demirovic, Klemens Himpele, Andreas Keller, Morus Markard, Wolfgang Nitsch (koop.), Lars Schewe, Karl Hermann Tjaden und Rolf Weitkamp vertreten.

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